Führende Aktivisten, Künstler, Wissenschaftler und Politiker nehmen zentrale Rollen in DiEM25 ein
Noam Chomsky, Elif Shafak, Brian Eno und Zoe Gardner sind unter den Personen, die ab heute die Aktivitäten von DiEM25 koordinieren.
Wir geben die Teams bekannt, die unsere Bewegung zur Demokratisierung von Europa koordinieren und leiten – unser Koordinierungskollektiv und den Beratenden Ausschuss – gewählt von tausenden DiEM25-Mitgliedern aus ganz Europa.
Unser 26 Personen starker Beratender Ausschuss beinhaltet den Gründer von Wikileaks, Julian Assange, den zweifachen Gewinner der goldenen Palme und Regisseur, Ken Loach, den „Schattenkanzler“ des Vereinigten Königreichs, John McDonnell, den bekannten Philosophen Slavoj Žižek, und den Pionierkomponist Jean-Michel Jarre. Sie schliessen sich einer wachsenden Gruppe von einflussreichen Denkern und Machern an, zusammen mit Menschen wie dem Demokratie-Aktivisten Da´niel Fehe´r und Neapels Bürgermeister Luigi de Magistris.
Chomsky, Shafak, Eno und Gardner schliessen sich den Initianten von DiEM25 (z. B. Yanis Varoufakis, Srecko Horvat und Lorenzo Marsili) für unser 12- Personen starkes Koordinierungskollektiv an.
„Das europäische Projekt nach dem zweiten Weltkrieg, welches zwangsläufig Schwachstellen aufwies, hatte durchaus viele Verdienste und beachtliche Versprechen,“ sagt Noam Chomsky. „Diese Verdienste und Versprechen wurden sowohl in den ökonomischen, wie auch gesellschaftspolitischen Bereichen durch die neoliberalen Austeritätsprogramme, die von der Troika von oben herab durchgesetzt wurden, erheblich beschädigt. DiEM25 ist eine kühne und vielversprechende Initiative, um diese Schäden wiedergutzumachen, bevor es zu spät ist.“
Slavoj Žižek fügte hinzu: “Gewöhnlich erliegen die Linken der Versuchung, nichts konkretes zu tun und auf die große Revolution zu warten. DiEM25 ist anders: mit einer spezifischen Forderung, Europa zu demokratisieren, ist dies der richtige Schritt zur richtigen Zeit in die richtige Richtung.”
Bemerkungen
Das Koordinierungskollektiv (KK) koordiniert alle Aktivitäten von DiEM25. Jährlich wird die Hälfte der Sitze des KK durch Wahlen neu besetzt; die nächste Wahl wird im September 2017 stattfinden. Der Beratende Ausschuss (BA) berät DiEM25 und erleichtert die Umsetzung ihrer Ziele.
Beide Gremien sind neu und nehmen ihre Arbeit ab heute auf – gemäss des Abstimmungsresultats basierend auf den Organisationsgrundlagen von unseren Mitgliedern.
Komplette Mitgliederliste des KK und BA
Die komplette Liste folgt unten besuchen. Besuchen Sie auch unsere entsprechenden Webseiten zum Koordinierungskollektiv und dem Beratenden Ausschuss, welche auch Fotos und Biographien beinhalten.
DiEM25 Beratender Ausschuss
Julian Assange, Renata Ávila, Walter Baier, Anthony Barnett, Franco Berardi, Boris Buden, Berardo Carboni, Nessa Childers, Cécile Duflot, Marcelo Expósito, Susan George, James K. Galbraith, Ken Loach, Jean-Michel Jarre, Katja Kipping, Caroline Lucas, John McDonnell, David McWilliams, Sandro Mezzadra, Gerardo Pisarello, Rasmus Nordqvist, Saskia Sassen, Barbara Spinelli, Danae Stratou, Marie Christine Vergiat, Slavoj Žižek.
DiEM25 Koordinierungskollektiv
Noam Chomsky, Brian Eno, Zoe Gardner, Srecko Horvat, Lorenzo Marsili, Cristina Soler-Savini, Thomas Seibert , Elif Shafak, Igor Stokfiszewski, Yanis Varoufakis, Vivienne Westwood, Agnieszka Wisniewska.
Mitglieder des DiEM25 Koordinierungskollektiv von Amts wegen
Fotini Bakadima (Koordination Sekretariat), Luis Martín (Koordination Kommunikation), Judith Meyer (Koordination Freiwillige), Xavier Soler (Koordination IT).
Nicola Fratoianni tritt DiEM25 bei
Nicola Fratoianni ist ein Abgeordneter im italienischen Parlament und ein Vorstandsmitglied der Koalition Italienische Linke. In der unten zitierten E-Mail, welche er unserem Koordinierungskollektiv zukommen lassen hat, erklärt er warum er DiEM25 beitritt und macht sich Gedanken zur Herausforderung, eine neue Linke in Italien aufzubauen.
Lieber Yanis, lieber Lorenzo,
ich nehme eure Einladung mit Freude an, und trete DiEM25 mit der Überzeugung bei, dass es dringend notwendig ist, die Debatte über die enge Verknüpfung von Neoliberalismus, Austeritätspolitik und wachsender Ungerechtigkeit wiederaufzunehmen.
Die Talfahrt zum „Zerfall“ Europas (wie es Jan Zielonka traurig, aber treffend beschrieben hat), scheint immer steiler zu werden.
Auch die jüngsten Ergebnisse des Regierungsgipfels in Bratislava zeigen es deutlich: die Bekräftigung der französisch-deutschen Achse, macht die meisten Sozialdemokratien für einen tödlichen Sparkurs anfällig und gleitet in eine inhumane und irrationale Politik der Grenzschließungen ab, zum Nachteil der Frauen, Männer und Kinder, die in Europa Schutz und Chancen für die Zukunft suchen.
Die Wirtschafts- und Finanz-, Medien- und Politikereliten, die unseren Kontinent führen, verhalten sich wie die Kommandeure auf der Brücke der Titanic: sie sehen sehr wohl den Eisberg, auf den sie das Schiff zusteuern, aber sie sind ausschließlich damit beschäftigt, den Befehl “volle Kraft voraus” an den überlasteten Maschinenraum durchzusetzen.
Und während sie das tun, befeuern sie auf unverantwortliche Weise weiter das Feuer von Eigennutz und identitärer Politik, des Nationalismus und Rassismus, das in allen Ecken Europas auflodert.
Auch hat Europa auf der globalen Bühne immer weniger Bedeutung, genau zu der Zeit, zu der wir stattdessen ein Europa bräuchten, das mit einer Stimme als starker Akteur für den Frieden und die Kooperationspolitik auftritt, ein Europa, das in der Lage ist, auf den Kriegsschauplätzen zu handeln, die unseren Kontinent aktuell umgeben, im Nahen Osten wie im Mittelmeerraum.
Wie Sie wissen, arbeiten wir, gemeinsam mit vielen anderen, an der Entwicklung einer neuen linken politischen Kraft in Italien, vereinigt und pluralistisch, die den Kampf gegen Armut und Ungleichheiten und für Demokratie zu ihrer vorrangigen Aufgabe macht.
Eine Linke, die in der Lage ist, den Ruf nach Veränderung derer zu begegnen, die heute resigniert und entmutigt sind, und derer, die sich nicht zwischen den zwei vorherrschenden Varianten von „es gibt keine Alternative“ entscheiden wollen: der, die den neoliberalen Status Quo verteidigt oder der, die zu einem zweideutigen und grölenden Populismus ohne Perspektive führt.
Wir versuche dies zu erreichen, wohl wissend, dass diese Linke, auch in der Entwicklung der gesellschaftlichen und politischen Kraft, die erforderlich ist um Italien zu verändern, nur die Gesamtheit Europas als Betrachtungs- und Handlungsspielraum haben kann.
Unserer ist kein „naiv-idealistischer Europäismus“: um die aktuellen, zerstörerischen Trends umzukehren, glauben wir, dass es nicht ausreichend ist, stur den Slogan der “Vereinigten Staaten von Europa” zu wiederholen, oder auf eine tiefere Integration zu hoffen, die den sozialen Bedürfnisse vielleicht mit etwas mehr Aufmerksamkeit einräumt.
Ganz im Gegenteil, ist es notwendig Maßnahmen zu ergreifen, um die vorherrschende Austeritäts- und Ausgrenzungspolitik aufzubrechen und in diesen Rissen den politischen Raum für Wandel zu schaffen.
Wir müssen, wie Yanis kürzlich sagte, eine Idee wiederbeleben, die ein wesentlicher Teil meiner und unserer Geschichte ist: den „konstruktiven Ungehorsam“ vermehren, um eine Alternative gestalten zu können.
Aus diesem Grund ist unser Europäismus der Tatsache bewusst, dass jeder Kampf für soziale Gerechtigkeit, Rechte und Freiheiten der Vielen, zu keinem wirksamen und dauerhaften Ergebnis führen wird, wenn er nicht in der Lage ist, sich mindestens auf kontinentaler Ebene zu etablieren. Es wird sich nichts ändern, wenn wir nicht in der Lage sind, die zu engen nationalen Grenzen zu durchbrechen und zu überwinden, oder wenn wir auf eine unwahrscheinlich Initiative „von oben“ erwarten, von diesen Eliten, die uns zu diesem Punkt der „existentiellen Krise” Europas geführt haben.
Allerdings müssen wir uns in einem Punkt einig sein: nicht jeder in der Linken und in den unterschiedlichen europäischen Ländern denkt so wie wir. Manche unserer Kameraden und Freunde deuten eine Rückkehr zur Vergangenheit der Nationalstaaten als einen möglichen Ausweg aus diesem Desaster.
Wir müssen uns ihnen weiterhin stellen und versuchen, ihre Einstellung zu ändern.
Als Erstes entgegnen wir ihnen mit gesundem Menschenverstand: die heutigen, kleinen Nationalstaaten wären „Papierschiffchen“, auf Gedeih und Verderb den Strömungen und Stürmen ausgeliefert, die der herrschenden Finanzkapitalismus im Ozean der Weltwirtschaft auslöst. Dieser Finanzkapitalismus hat ein marxistisches Meisterwerk geschaffen: er hat die Wirtschaftskrise zu seinem Vorteil genutzt um sich auf internationaler Basis zu restrukturieren und sich neue Werkzeuge für die Kontrolle und Herrschaft über das Lebens der Menschen zu beschaffen. Eine “Revolution von oben”, bei der die gesellschaftliche Oppositionsbewegung passiv zugesehen hat.
Dann mit der Leidenschaft der Ideen: wir brauchen einen neuen und anderen “Internationalismus”, basierend auf den Kampf für Demokratie und für die Rückeroberung der Würde der Menschen, unabhängig davon, wo sie geboren wurden und wo sie leben.
Mit der Intelligenz der Politik: die alte und neue Rechte besetzt bereits das Gelände eines jeden politischen Diskurs, der sich auf die egoistische Verteidigung der nationalen Grenzen fixiert.
Aus diesem Grunde, liebe Kameraden und Freunde von DiEM25, zählt bitte auf mein Bekenntnis, und das vieler anderer, die sich dem Abenteuer, eine neue Linke in Italien aufzubauen, verschrieben haben: wir stehen für eine Zusammenarbeit in einer breiteren und übergreifenden Bewegung bereit, die zu Recht die Rückeroberung der Demokratie in Europa in den Vordergrund stellt.
Solidarische Grüße
Nicola Fratoianni
Mitglied des italienischen Parlaments,
früherer nationaler Koordinator von SEL (Linke Ökologie und Freiheit)
Verfechter und Vorstandsmitglied von SI Sinistra Italiana (Italienische Linke)
Rom, 20. September 2016
Brief an die Unterstützer von „Another Europe Is Possible“
DiEM25 und Another Europe Is Possible haben während des Brexit-Referendums Hand in Hand für ein radikales BLEIBEN gekämpft: Bleiben um zu verändern. Das Ergebnis dieses Referendums ist nicht das, was wir uns gewünscht haben. Aber die Arbeit von DiEM25 in Großbritannien ist damit nicht zu Ende: Im Gegenteil, sie ist jetzt relevanter als je zuvor. Wir müssen unsere Anstrengungen verdoppeln, unsere Mitgliederzahl erweitern und während und nach den Brexit-Verhandlungen eine Schlüsselrolle spielen. Deshalb haben wir gerade den folgenden Brief an die Mitglieder von „Another Europe Is Possible“ geschrieben und sie eingeladen, sich unserer wachsenden transnationalen Bewegung anzuschließen. Durch das Zusammenbringen von pro-europäischen Kräften in Großbritannien werden wir zu einer Kraft, mit der man rechnen muss, während das Establishment in Großbritannien und der EU über die Bedingungen des Austritts streiten. Zusammen müssen wir unseren Kampf für ein anderes Europa fortsetzen. Großbritannien wird und muss ein untrennbarer Teil davon sein.
Liebe Freunde,
vor dem Referendum haben wir zusammengearbeitet, um die Menschen in Großbritannien zu überzeugen, dass ein anderes Europa möglich ist. Wir waren im ganzen Land unterwegs und haben für ein BLEIBEN argumentiert. In Bürgerversammlungen, auf der Straße, im Fernsehen und Radio, in Zeitungsinterviews und Kolumnen haben wir erklärt, dass es möglich ist, sich dem neoliberalen und antidemokratischen Werk der EU entgegenzustellen und gleichzeitig deren Errungenschaften (i.e. Reisefreiheit, Umweltschutz) zu verteidigen, solange wir uns zusammentun und eine pan-europäische, progressive Bewegung bilden.
Am Ende haben wir es nicht geschafft, genügend Wähler zu überzeugen. Aber wir haben viele von ihnen überzeugt, gegen die Bemühungen der offiziellen BLEIBEN-Kampagne des Establishments – der beste Verbündete des Brexit. Diejenigen, die wir vor dem 23. Juni überzeugt haben, fühlen sich jetzt beraubt und denken an Resignation und Schwarzseherei. Es ist unsere Pflicht, ihre Hoffnung wiederzubeleben, so wie es unsere Pflicht ist, für ein anderes Europa zu kämpfen, mit dem Großbritannien untrennbar verbunden sein wird und muss.
Um die Hoffnung derjenigen wiederzubeleben, die geglaubt haben, dass ein anderes Europa möglich ist, ist es unbedingt notwendig, dass eine pan-europäische Bewegung entsteht (von der dieser Glaube verlangt, dass sie zu einer realistischen Option wird). Zum Glück gibt es eine solche Bewegung schon und sie entfaltet sich täglich weiter: Es ist DiEM25, die Bewegung für Demokratie in Europa, mit der eure Organisation schon vor dem Referendum einvernehmlich zusammengearbeitet hat.
Im Prinzip tut DiEM25 seit seiner Gründung am 9. Februar in Berlin in jedem europäischen Land genau das, was „Another Europe Is Possible“ in Großbritannien tut: ein Bündnis von progressiven Kräften formen, die die EU demokratisieren und dazu bringen wollen, für die Interessen der Vielen statt der der Wenigen einzutreten. Es wäre ein natürlicher nächster Schritt für „Another Europe Is Possible“, sich DiEM25 anzuschließen, ein Schritt, der gerade nach dem Brexit noch zweckmäßiger ist.
Am Morgen nach dem Referendum erhielt DiEM25 viele besorgte E-Mails von Einwohnern Großbritanniens, die uns unter andrem fragten, ob sie immer noch Tel von DiEM25 sein können, „jetzt wo Großbritannien nicht mehr in der EU ist“. Wir antworteten, dass DiEm25 noch nie einen Unterschied zwischen EU- und nicht-EU-Staaten gemacht hat. Dass wir von ersten Tag an Mitglieder aus der Schweiz, Serbien, Island, der Türkei und sogar aus Lateinamerika, den USA und Australien aufgenommen haben. Europe ist mehr als die EU und unsere Bewegung ist entschlossen, trotz aller Grenzen und Spaltungen pan-europäisch zu bleiben. Wir glauben, dass diese Ansicht ein Zusammenkommen von „Another Europe Is Possible“ und DiEM25 noch vorteilhafter für beide Organisationen macht – gerade nach dem Brexit.
Schließlich ist DiEM25 eine noch junge Bewegung, die sich gerade formt. Indem ihr euch uns anschließt, könnt ihr eine zentrale Rolle dabei spielen, DiEM25 Form, Gestalt und Inhalt zu geben – gemeinsam mit vielen europäischen Progressiven, die jede Woche beitreten. Die Organisationsstruktur von DiEM25 (wie in unseren Organisationsgrundlagen dargelegt) bevorzugt eine horizontale Ausrichtung und beinhaltet nur ein geringes Maß an zentraler Koordination, im Geiste der sozialen „Open-Source“- Bewegungen, die in den letzten zehn Jahren als Antwort auf die große Krise des Kapitalismus in Europa entstanden sind.
DiEM25 hat bereits mehr als dreitausend Mitglieder in Großbritannien, von denen mindestens tausend aktiv und dynamisiert sind. „Another Europe Is Possible“ mit unseren britischen Mitgliedern zusammenzubringen würde DiEM25 in Großbritannien zu einer führenden Kraft in der Gestaltung der progressiven Agenda, aber auch in der Gestaltung von DiEM25 in ganz Europa machen. Das liegt daran, dass DiEM25 keine Konföderation von nationalen Organisationen oder Gruppen sein will. Wir zeigen unsere Missachtung von Grenzen, indem wir sie überschreiten. In diesem Kontext würden wir euch gern dazu ermutigen, unser Zusammenkommen als Möglichkeit für „Another Europe Is Possible“ zu sehen, sich über den Rest Europas auszuweiten.
Es wäre nachlässig von uns, die emotionale Bindung zu missachten, die wir alle zu den Labels, Logos, Slogans und der Ästhetik einer Bewegung haben, die mit unserer Energie und unserem Einsatz aufgebaut worden ist. Another Europe Is Possible („Ein anderes Europa ist möglich“) ist ein Satz, den DiEM25 in ganz Europa verbreiten möchte. Tatsächlich ist es der beste (und vielleicht der einzige) Weg, die Briten nach dem Brexit zu überzeugen, dass ein anderes Europa möglich ist, wenn wir zusammen, als Bewegung für Demokratie in Europa, alle Europäer davon überzeugen, dass ein anderes Europa möglich ist.
Lasst uns also unsere Kräfte bündeln. Wir haben einen Kontinent zu gewinnen.
Schließt euch uns am 8. Oktober an, wenn wir diese Diskussion mit Another Europe Is Possible auf einer Veranstaltung in Zusammenarbeit mit openDemocracy und der LSE Civil Society und der Human Security Research Unit fortsetzen – hier klicken für weitere Informationen.
Die Kräfte bündeln! Antwort an Stefano Fassina
Stefano Fassina zeigt auf, dass ich in meinem Artikel „Europas Linke nach dem Brexit“ nicht auf seine bevorzugte Option für Eurozonen-Mitgliedsstaaten eingegangen bin: in der EU bleiben, aber den Euro verlassen. Mein Artikel ist natürlich deshalb nicht auf diese Position eingegangen, weil er auf den Brexit konzentriert und an „Lexiter“ wie Tariq Ali und Stathis Kouvelakis gerichtet war, die aus einer linken Perspektive dafür argumentierten, die EU ganz zu verlassen – z.B. durch Aktionen wie den Brexit. Ich werde aber sehr gern auf Stefanos bevorzugte Option eingehen (in der EU, aber nicht im Euro).
Eine „einvernehmliche Trennung“ für die Eurozone?
Stefano beruft sich auf Joe Stiglitz, der in seinem neuesten Buch über den Euro eine „einvernehmliche Trennung“ empfiehlt, die zur Schaffung von mindestens zwei neuen Währungen führen würde (eine für die Defizit- und eine für die Überschussländer). Da ich das kürzlich mit Joe Stiglitz diskutiert habe, ist es vielleicht sinnvoll, den Kern unserer Diskussion mit Stefano und unseren Lesern zu teilen.
In meiner E-Mail an Joe äußerte ich Skepsis darüber, dass eine „einvernehmliche Trennung“ überhaupt möglich ist. Sobald öffentlich wird, dass eine „Trennung“ diskutiert wird, würde im gleichen Moment eine Flut von Geld die Banken der für eine Abwertung bestimmten Länder verlassen und sich Richtung Frankfurt bewegen. Zu diesem Zeitpunkt würden die Banken der defizitären Mitgliedsstaaten zusammenbrechen (da ihnen die für die EZB akzeptablen Sicherheiten ausgehen) und die Staaten werden strenge Währungs- und Kapitalkontrollen einführen – was dazu führt, dass Beamte am Flughafen Koffer kontrollieren und/oder es zu strikten Begrenzungen beim Abheben von Bargeld kommt. Das wäre nicht nur das Ende der Währungsunion, sondern auch des (bereits verletzten) Schengen-Abkommens.
Während die Bankguthaben umgestellt werden, würden riesige Vermögenswerte verschwinden, die der Bundesbank und den Zentralbanken anderer Überschussländer (z.B. der Niederlande) gehören und Verbindlichkeiten der Defizitländer sind. Das würde einen Aufschrei der Empörung in Deutschland und den Niederlanden auslösen. Unter solchen Umständen und in Anbetracht des bereits fortschreitenden Zerfalls der EU, ist es so gut wie sicher, dass die Auflösung der Eurozone alles andere als einvernehmlich wäre.
Joe Stiglitz hat mir wie folgt geantwortet: „Sie haben absolut Recht damit, dass, wenn irgendein Land einen Euro-Austritt in Erwägung zieht, sofort Kapitalkontrollen eingeführt werden müssten…der eilige Abzug des Geldes nach außen wird wahrscheinlich vorher stattfinden – wenn es so aussieht, als ob eine für ein Referendum plädierende Partei tatsächlich gewinnen könnte. Deshalb würde die schwere Entscheidung über die Einführung von Kapitalkontrollen ironischerweise wahrscheinlich von einer Regierung gefällt werden, die den Euro befürwortet. Wenn diese das hinauszögert, könnte das Land zum Zeitpunkt der Wahl bereits im Chaos versinken. Das Zukunftsbild Europas sieht nicht gut aus.“
Schlussendlich ist es Einbildung zu glauben, dass die EU eine einvernehmliche Auflösung der Eurozone managen könnte. Tatsächlich ist es schwer vorstellbar, dass die EU ein Auseinanderbrechen der Eurozone überleben würde.
Ist die Strategie des konstruktiven Ungehorsams nur ein Bluff für ein Eurozonen-Mitglied?
Stefano Fassina schreibt: „Während die Strategie des ‚vorsätzlichen Ungehorsams’ … in einem EU-Land, das noch immer seine Währung und Zentralbank kontrolliert, effektiv sein kann, ist es unglücklicherweise nur ein Bluff für ein Mitglied der Eurozone, das unter erheblichem wirtschaftlichem, sozialem und finanziellem Druck steht, wie der Fall Griechenland auf dramatische Weise klargemacht hat.“
Was die Zerschlagung des Athener Frühlings klargestellt hat, war nicht, dass ich geblufft habe. Es hat nur gezeigt, dass die Niederlage einer Regierung unter Druck unvermeidlich ist, wenn sie gespalten ist. Als Finanzminister während dieser Zeit kann ich dem Leser, und Stefano, versichern, dass ich nicht geblufft habe. Ein Bluff bedeutet, so zu tun, als hätte man eine bestimmte Karte oder Präferenzen, die man nicht hat – oder dass man etwas tun wird, was man nicht tatsächlich beabsichtigt. Als ich erklärte, dass ich nicht bereit war, das dritte „Rettungsprogramm“ zu unterschreiben, meinte ich jedes Wort ernst. Warum? Weil ich mögliche Ergebnisse in der folgenden Reihenfolge geordnet hatte: (1) ein tragbares Übereinkommen mit der Troika, (2) aus der Eurozone ausgeschlossen werden, (3) das 3. „Rettungsprogramm“ unterschreiben. Option 1 war zwar die bei weitem bevorzugte und ein Grexit wäre für Griechenland und Europa mit sehr hohen Kosten verbunden, aber das 3. „Rettungsprogramm“ war die schlimmste Option für alle Beteiligten. Kurz und gut, es gab kein Bluff, als ich erklärte, dass ich kein Abkommen unterzeichnen würde das nicht aus (i) erheblichen Schuldenerleichterungen, (ii) einem Haushaltsüberschussziel von nicht mehr als 1,5% und (iii) tiefgehenden Reformen basierte, die die Oligarchen bekämpfen (und nicht gegen die schwächsten der Bürger gerichtet sind).
Wenn meine Regierung sich in dieser unserer ursprünglichen Einschätzung einig gewesen wäre, hätten wir nicht nachgegeben, und als Konsequenz hätte entweder die Troika eingelenkt oder wir hätten unsere eigene auf Euro lautende Liquidität schaffen müssen (die natürlich einen Wechselkurs mit Euro-Papiergeld haben würde – was ja auch jetzt unter den von der EZB eingeführten Kapitalkontrollen das Fall ist). An diesem Punkt müssten Brüssel, Frankfurt und Berlin sich entscheiden: vom Abgrund zurücktreten oder uns unter Verletzung der EU-Regeln aus der Eurozone werfen. Ich habe nur wenige Zweifel, dass sie sich für Ersteres entschieden hätten (da ein Grexit die Eurozone etwa 1 Billion Euro kosten würde). Aber ich wäre auch dann unbeirrt geblieben, wenn sie es nicht getan hätten.
Stefano fragt sehr zutreffend: „Welche nationale Regierung könnte über relevante Verletzungen der Regeln verhandeln, ohne dass eine durchführbare Alternative auf dem Tisch liegt?“ Deshalb hatte ich, schon bevor ich mein Amt übernahm, angefangen, an zwei Plänen zu arbeiten: erstens ein Abschreckungsplan, der die EZB zum Nachdenken gebracht hätte, bevor sie unsere Banken schloss. Zweitens ein Plan X, der zu aktivieren war, wenn und falls die Troika beschließen würde, uns aus der Eurozone auszuschließen. Es muss aber gesagt werden, dass die Idee, diese Pläne noch vor dem Bruch zu aktivieren, genauso unrealistisch ist wie eine einvernehmliche Auflösung der Eurozone – siehe oben. Einfach gesagt, jeder Versuch, diese Pläne zu aktivieren, würde einen sofortigen Austritt aus der Eurozone auslösen – ein Austritt, der passieren würde, noch lange bevor sie vollständig aktiviert wären. Was bedeutet, dass die kurzfristigen Kosten eines Bruchs auf jeden Fall sehr hoch wären. Nichtsdestoweniger hatte die Mehrheit des griechischen Volkes uns angewiesen, diese Kosten im Zuge der Befreiung von der Schuldenabhängigkeit außer Acht zu lassen.
Falsches Bewusstsein
Stefano hat durchaus Recht, wenn er uns daran erinnert, dass der Euro nicht nur von großen Unternehmen befürwortet wird, sondern breite Unterstützung in vielen Bereichen genießt: von deutschen Gewerkschaften, die in das merkantilistische System des Landes kooptiert wurden, wohlmeinenden Angehörigen der Mittelschicht aus dem Norden und dem Süden usw. Warum das so ist, habe ich in meinem neuesten Buch „And the Weak suffer what they must“ (Das Euro-Paradox) dargelegt. Aber das ist, so scheint es mir, ein sehr guter Grund um zu vermeiden, dass die Auflösung der Eurozone zu unserem Ziel wird (angesichts der Tatsache, dass eine einvernehmliche Trennung unmöglich ist – und die Europäer das auch so verstehen). Vielmehr sollten wir eine Strategie verfolgen, die vernünftige politische Vorschläge macht, die auch diejenigen überzeugen, die immer noch loyal zu der Idee des Euro sind. Wenn dann die Troika entscheidet, auf ihre gewohnte autoritäre und aggressive Art die demokratisch gewählte Regierung mit Bankenschließung und Liquiditätsengpässen zu bedrohen, werden auch die Anhänger des Euro auf die Straße gehen und ihre Regierung verteidigen. Ist das nicht in Griechenland am 5. Juli 2015 passiert?
Fazit
Stefano Fassina ruft alle europäischen Progressiven zur Einheit auf: „Mein Ziel ist es, unsere Kräfte zu bündeln,“ schreibt er. Das ist der Daseinsgrund für DiEM25 – der Zusammenschluss über Landesgrenzen und politische Parteilinien hinweg.
Wie Stefano denke auch ich, dass die Eurozone dabei ist, sich aufzulösen, wahrscheinlich auf eine Weise, die auch das effektive Ende der EU bedeuten wird. Im Unterschied zu Stefano sehe ich aber keinen Grund, warum wir die Auflösung der Eurozone zu unserem Ziel machen sollten. Tatsächlich sehe ich das als großen politischen Fehler. Unsere gemeinsame Aufgabe ist es, wie DiEM25 vorschlägt, eine progressive Agenda für Europa zu schaffen, die darauf ausgerichtet ist:
-
Auf der nationalen Ebene progressive Regierungen, die ihrem Volk einen Plan A anbieten – ein Einblick wie, unter dem jetzigen System, die Hoffnung in ihr Land zurückkehren kann. Gleichzeitig muss es in den Ländern der Eurozone einen Abschreckungsplan geben, falls die EZB und die Troika auf den Plan A der progressiven Regierung mit Drohungen mit Bankenschließungen, Liquiditätsengpässen etc. reagieren. Und schließlich müssen sie eine dritten Plan haben (ich habe es Plan X genannt), falls/wenn das „Zentrum“ deren Austritt aus der Eurozone herbeiführt.
-
Auf europäischer Ebene müssen wir den Europäern einen Plan A für Europa anbieten – oder einen Europäischen New Deal, wie DiEM25 es nennt – einen Einblick wie, in ein paar Wochen und unter den derzeitigen Verträgen, Hoffnung, Entwicklung und Demokratie in ganz Europa zurückkehren können. Dieser Plan A muss einen Vorschlag enthalten, wie die schmerzhafte Auflösung der Eurozone und der EU (so gut und reibungslos wie möglich) gehandhabt werden kann.
Zu diesem Zweck hat ein Komitee von Experten bei DiEM25 schon angefangen, an umfassenden politischen Vorschlägen sowohl auf nationaler als auch europaweiter Ebene zu arbeiten. Gleichzeitig arbeiten Mitglieder von DiEM25 an demselben Ziel auf der Basisebene. Die Themen sind, unter anderem, Währungen, das Bankensystem, Staatsverschuldung, Investitionen und Bekämpfung der Armut. Die Aufgabe ist es, ein Rahmenwerk für einen europäischen New Deal zu schaffen. Dies soll Anfang Februar 2017 vorliegen, damit in einer besonderen, zweitägigen Veranstaltung in Paris in der letzten Woche des Monats darüber debattiert werden kann, gerade bevor der französische Präsidentschaftswahlkampf offiziell beginnt.
Es gibt keine Zeit zu verlieren. Europa ist im Zerfall begriffen, ohne einen Plan um die Auflösung zu verhindern oder zu handhaben. DiEM25 lädt alle europäischen Progressiven zu dem großen Unterfangen ein, diesen Plan zu entwickeln – das Rahmenwerk für einen Europäischen New Deal im Zusammenhang mit einer Progressiven Agenda für Europa.
Yanis Varoufakis: "Es ist an der Zeit, dass Europas Humanisten Europa zurückfordern"
Rede auf der Fête de l’Humanité 2016
(Übersetzt von Andrea Hirschmann)
Letztes Jahr kam ich mit einer Nachricht von Griechenland zum Fest [Fête de l’Humanité]. Der Athener Frühling war gerade von der Troika niedergeschlagen worden, weil Europas Establishment plante, die Troika nach Paris zu bringen.
Und die Troika kam nach Paris. Das Arbeitsrecht wurde per präsidentialer Verordnung geändert. Bürgerrechte wurden eingeschränkt. Und die großartigen Menschen von Paris antworteten mit Nuit Debout.
Ja, es ist wahr, Griechenland war das Versuchslabor der Menschenverachtung. Und Frankreich muss das Schlachtfeld sein, auf dem die Menschenverachtung besiegt wird.
Warum sind wir hier? Wir sind hier, weil wir Humanisten sind, in einem Zeitalter der Menschenverachtung.
Wir sind hier, weil die Menschen in Frankreich ersticken. Die Griechen ersticken. Die Österreicher, die Deutschen, die Spanier, die Portugiesen ersticken. Ganz Europa erstickt.
Wir sind hier, weil unsere Bevölkerung erstickt, in einem Europa, das gerade zerfällt.
Und unsere Bevölkerung wird weiter ersticken, solange Europa zerfällt. Und Europa wird weiter zerfallen, solange unsere Bevölkerung erstickt.
So sind wir nun hier, um das Ersticken unserer Bevölkerung zu beenden, um den Zerfall Europas aufzuhalten. Einen Zerfall, der die Bestie der Großen Deflation unserer Zeit nährt, welche – wie in den 1930ern – Fremdenhass, Rassismus und Nationalismus hervorbringt.
Wir sind hier, um den Preis, den die Menschen aufgrund des idiotischen Umgangs mit der unvermeidlichen Krise dieses Europas zahlen müssen, möglichst gering zu halten. Nur das bringt uns hier zusammen: eine Dringlichkeit. Eine Pflicht: den Preis menschlichen Leidens möglichst gering zu halten. Unsere Aufgabe ist einfach: es ist unsere Pflicht, alles nur Erdenkliche zu tun, um die Sorgenfalten in den Gesichtern der Menschen zu glätten.
Geben wir uns keinen Illusionen hin. Vor uns stehen entschlossene, gutorganisierte Gegner, welche das Wohl der Menschen nicht an erste Stelle setzen. Die nur eines wollen: Business as usual, und eine Welt, die ihnen erlaubt, unendlich viel Geld zu machen, indem sie den Rest der Menschheit als Werkzeug dafür missbrauchen.
Mit rationalen Argumenten sind sie nicht zu überzeugen. Sie pfeifen auf ein ethisches Vorbild. Sie verachten Demokratie. Sie wissen, dass sie eine große Mehrheit der Menschen einschüchtern können. Doch in Ihrer Überheblichkeit zerstören sie mit ihrem Business as usual wie ein dummer Virus den Organismus, von dem sie abhängig sind.
Ihr Business as usual ist verantwortlich für Europas Zerfall.
Ihr Business as usual ist verantwortlich für den langsamen ökologischen Tod des Planeten Erde.
Ihr Business as usual ist verantwortlich für die Furcht und den Hass, der wieder, wie in den 1930ern, zur dominierenden politischen Kraft auf diesem Planeten wird.
Ja, deswegen sind wir hier. DiEM25, die Bewegung, die mit der Zerschlagung des Athener Frühlings ihren Anfang nahm und sich nun in ganz Europa ausbreitet, ist hier. Wir sind hier mit der Entschlossenheit, jeden Preis zu zahlen, alles auf uns zu nehmen, jedem Feind der Hoffnungen auf Mitmenschlichkeit die Stirn zu bieten. Wir sind hier, um die französischen Ideale von Freiheit, Brüderlichkeit und Gleichheit zu verteidigen, und sie mit Hoffnung, Vernunft, Vielfalt, Toleranz und natürlich Demokratie zu ergänzen.
Doch hüten wir uns vor Selbstgefälligkeit. Wir dürfen nicht selbstverliebt werden. Wir sind nicht auch nur in der Nähe eines Erfolgs. Wir sind mitten in der schlimmsten Kapitalismuskrise seit 1929. Und doch: die progressiven Kräfte, die Linke, echte Liberale, Grüne – überall verlieren sie.
Die Niederlage unseres Athener Frühlings war von globaler Bedeutung. Podemos hat in Spanien den Schwung verloren. Überall erhebt sich die menschenfeindliche Rechte. Auf dem Kontinent werden neue Elektrozäune gezogen. Das Licht der Hoffnung flackert im kalten Wind des Nationalismus. Wenn kein Wunder geschieht, wird Frankreich 2017 einen noch reaktionäreren Präsidenten haben als den traurigen Herrn Hollande.
Warum ist das so? Warum wandten sich die Europäer in den Zeiten der Krise nicht den Progressiven zu? Meine Antwort: es ist UNSER Fehler. Der Fehler der Progressiven, der Linken, von Demokraten, Liberalen und Grünen gleichermaßen.
Denkt darüber nach: während der Kapitalismus sich in Krämpfen windet, wird die Rechte leidenschaftlich, zittert in einer Anti-Establishment-Inbrunst, welche bis vor Kurzem noch ein Ressort der Linken war. Trump wendet sich gegen TTIP, Britische Tories und Ungarns Orban gegen die antidemokratischen Machenschaften der EU, Le Pen verteidigt eine vom angeschlagenen Euro und der Linken im Stich gelassene Arbeiterklasse.
Die Politik erlebt gerade eine Umbildung, wie sie die Welt seit den 1930ern nicht mehr gesehen hat. Eine Große Deflation hat beide Seiten des Atlantiks im Griff, lässt seit acht Jahrzehnten schlafende politische Kräfte wieder aufleben.
Leidenschaft kehrt ein in die Politik – aber nicht so, wie wir gehofft hatten. Die Leidenschaft treibt nun Menschenfeindlichkeit an. Und es ist unsere Aufgabe, das aufzuhalten. Unsere Aufgabe, die Leidenschaft für Menschlichkeit einzusetzen.
Um das tun zu können, müssen wir erst einmal verstehen, was geschieht. Sicher, links gegen rechts, Arbeitskraft gegen Kapital spielt immer eine Rolle. ABER: Europa spaltet sich gerade in zwei Blöcke, die nichts mit Links oder Rechts zu tun haben.
Ein Block repräsentiert die alte Troika von Globalisierung, Finanzialisierung und Neoliberalismus. Noch ist sie an der Macht, wenn auch ihre Macht dahinschwindet – wie François Hollande, Angela Merkel und David Cameron bestätigen können. Auch die griechische Regierung nach der Kapitulation, die nun eben dieser Troika dient, kann das bestätigen. Die Europäische Kommission. Zwar sind sie im Amt, doch verlieren sie ihre Macht und Legitimation.
Der andere Block, der sich gegen Globalisierung, Finanzialisierung und Neoliberalismus stellt, ist das, was ich Nationalistische Internationale nenne.
Britische Brexiter, die Regierungen Polens und Ungarns, die Alternative für Deutschland, der verabscheuungswürdige Kryptofaschist, der womöglich Österreichs nächster Präsident wird, und natürlich Marine Le Pen – im Schlepptau der Großen Deflation baut sich eine Mauer aus fremdenfeindlichem Nationalismus vor der Troika auf.
Das Problem mit dem Aufeinanderprallen der Globalen Troika und der Nationalistischen Internationalen liegt darin, dass es sowohl real als auch irreführend ist. Die Brexit-Entscheidung beweist dessen Realität. Und doch ist es irreführend, weil die Globale Troika und die Nationalistische Internationale in Wirklichkeit nicht Feinde, sondern Komplizen sind.
Globale Troika wie auch Nationalistische Internationale sind nichts anderes als Facetten der Großen Deflation – der tiefen Krise des europäischen Kapitalismus.
Um diese Unheilige Allianz zu brechen, brauchen wir einen Progressiven Internationalismus. Das ist es, was DiEM25 in Europa aufbaut: diese Progressive Internationale.
DiEM25 kommt mit einer soliden Agenda für einen progressiven Wandel.
DiEM25 kommt, um sich dem Business as usual zu widersetzen – wie wir es in Athen getan haben, wie wir es in Nuit Debout tun – in jedem Dorf und in jeder Stadt in Europa.
DiEM25 kommt, um sich dem Ruf der Sozialdemokraten nach “mehr Europa” zu widersetzen. Unter dem derzeitigen EU-Regime samt Institutionen wird “mehr Europa” in eine Legalisierung von Europas Austeritätsunion münden.
Wonach Hollande und seine Anhänger rufen, ist im Grunde eine Beschleunigung des Schäuble-Plans in Richtung einer gefälschten Föderation, welche Europa dauerhaft in einen eisernen Käfig verwandeln wird.
DiEM25 kommt AUCH, um sich denjenigen Linken entgegenzustellen, die uns das Ziel der Nationalistischen Internationalen, nämlich die Europäische Union abzubauen, überstülpen wollen.
DiEM25 bietet jenen, die fälschlicherweise behaupten, es gäbe in der Europäischen Union keine Alternative – das Euro-TINA-Dogma (Anm.: TINA = There Is No Alternative) – das einzig wirksame Gegenmittel an:
-
auf nationaler Ebene sollte eine progressive französische, griechische, spanische und italienische Regierung den Menschen einen umfassenden Plan A vorschlagen – einen Eindruck davon, wie unter dem gegenwärtigen System wieder Hoffnung ins Land kommen kann.
-
Zugleich muss eine progressive nationale Regierung einen Abwehrplan parat haben für den Fall, dass EZB und Troika als Reaktion auf den Plan A der progressiven Regierung mit Bankenschließungen, Liquiditätsengpässen u.s.w. drohen.
-
Und schließlich muss eine progressive Regierung auch einen Plan bereit haben für den Fall, wenn die “Mitte” einen Ausschluss aus der Eurozone einfädelt.
Dies waren die drei Pläne, welche ich als Griechenlands Finanzminister hatte – mein Team sprach von ihnen als Plan A, B & X. Jetzt brauchen wir überall Regierungen, die sich an sie halten wollen.
Das schlägt DiEM25 auf nationaler Ebene vor.
Was die gesamteuropäische Ebene anbelangt, ist DiEM25 der Überzeugung, dass wir den Europäern einen europäischen Plan A für Europa anbieten müssen. Eine Progressive Agenda für Europa. Einen europäischen New Deal – eine Vorstellung davon, wie unter den gegenwärtig gültigen Verträgen wieder Hoffnung, Entwicklung und Demokratie einkehren können.
Gleichzeitig bereitet DiEM25 einen Plan vor, um einen Zerfall der Eurozone und der EU so gut und reibungslos wie nur möglich zu bewältigen.
Zusammenfassend besteht DiEM25 darauf, dass
-
wir überall einen Plan A einleiten, auf nationaler und auf gesamteuropäischer Ebene: einen Plan A, oder europäischen New Deal
-
wir einen Abwehrplan vorbereiten, um den Drohungen der Troika entgegenzutreten
-
und wir einen gesamteuropäischen Plan vorbereiten zum Umgang mit Europas Zerfall, der sicher eintreten wird, wenn es dem Deep Establishment gelingt, unseren Plan zurückzuweisen.
Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen,
die EU wird demokratisiert. Oder sie wird zerfallen!
Wir, die Mitglieder von Democracy in Europe Movement, werden sie mit Vernunft überhäufen – mit konstruktiven Vorschlägen – mit Wirtschaftsplänen, welche maßvoll, praktisch und jederzeit umsetzbar sind.
Wir werden sie überschütten mit Maßhalten.
Doch werden wir ihnen auch in die Augen blicken, und wenn sie uns bedrohen, so wie die Troika mich 2015 bedroht hat, sind wir bereit, ihnen zu sagen:
¡No pasaran! – Sie werden nicht durchkommen!
Nur weiter so!
Wir werden nicht weichen!
Europas Zukunft hängt von unserem Widerstand gegen Euren inkompetenten Autoritarismus ab.
Wenn sie uns sagen “Ihr müsst Business as usual” akzeptieren oder die Europäische Union, den Euro, verlassen”, werden wir antworten: “Wir gehen nicht!” “Ihr geht!”
Auf ihr Business as usual werden wir mit KONSTRUKTIVEM UNGEHORSAM reagieren. MIT EINER KOMBINATION AUS BESCHEIDENEN VORSCHLÄGEN UND UNGEHORSAM. Das ist es, was Humanismus uns heute abverlangt.
Ich frage unsere Genossinnen und Genossen, welche uns drängen, den EXIT als Ziel zu übernehmen:
glaubt Ihr wirklich, dass eine Linke in diesen Zeiten eine Schlacht um die Vormachtstellung gegen die fremdenfeindliche Rechte gewinnen kann, indem sie den Ruf der Rechten nach neuen Mauern und dem Ende von Bewegungsfreiheit unterstützt?
Genug davon. Jetzt ist es an der Zeit, sich an die Arbeit zu machen.
DiEM25 arbeitet schon daran, eine Progressive Agenda für Europa zusammenzustellen, einen Green New Deal für Europa.
Ein Komitee von bestqualifizierten Ökonomen hat sich an die Arbeit gemacht. Nächste Woche werden wir auf unserer Website unser Werk zu Euro, Investitionen, Banken, Armutsbekämpfung und Schuldenabwicklung vorstellen. Und IHR seid eingeladen, daran teilzuhaben.
Bis Februar 2017 wird unsere Abhandlung zum New Green Deal für Europa als Entwurf zur Verfügung stehen. Dann werden wir alle wieder in der letzten Februarwoche in Paris zusammenkommen.
-
Um Frankreichs Bevölkerung unsere pragmatischen, radikalen und umfassenden wirtschaftspolitischen Vorschläge vorzustellen.
-
Um den Präsidentschaftskandidaten unseren Green New Deal für Europa anzutragen.
-
Und sie zu fragen: wirst Du ihn umsetzen? Und wenn nicht, warum?
-
So wird DiEM25 in jedem europäischen Land wirken.
-
So wird DiEM25 auf eine Progressive Internationale hinarbeiten. Zu einer gesamteuropäischen Allianz von Demokraten, Sozialisten, Liberalen, Grünen, Feministen, Utopisten, die verstehen, dass die einzige Alternative in einer Dystopie besteht.
Freundinnen und Freunde, Genossinnen und Genossen:
viel zu lange schon haben wir, Frankreich, Griechenland, Deutschland, zugelassen, dass ganz Europa von “Zufall und Zwang” regiert wird statt von “Besinnung und Wahl”.
Viel zu lange haben wir zugelassen, dass einstige Aufgeklärtheit in Dunkelheit verblasst.
Zeit für Europas Humanisten, Europa zurückzufordern.
Carpe DiEM25
Paris, 10. September 2016
Die europäische Linke nach dem Brexit
Die Perspektive der DiEM25-Bewegung
Eine Antwort auf Tariq Ali, Stathis Kouvelakis, Vicente Navarro und Stefano Fassina
Vorwort: Im vorliegenden Artikel soll auf die Kritik von linker Seite an der DiEM25-Bewegung eingegangen werden, wonach diese ein falsches Ziel (die Demokratisierung der EU) mittels einer nicht minder falschen Strategie (Fokus auf die europäische statt auf die nationalstaatliche Ebene) verfolgt. Meine Antwort richtet sich vornehmlich an linke Lexit-Befürworter (die analog zum Brexit auf die Strategie setzen, die Durchführung von Referenden zum EU-Austritt zu fordern), befasst sich aber auch mit Fragen, die häufig in jenen politischen Traditionen aufgeworfen werden, die DiEM25 im Kampf für die Demokratisierung Europas einen möchte. Zu diesen gehören authentische Liberale, Umweltschützer, Feministinnen, Mitglieder von Piratenparteien, nicht integrationswillige Aktivisten außerhalb der traditionellen Parteien und ja, sogar progressive Konservative.1
Innerhalb von 13 Monaten haben zwei Referenden nicht nur auf EU-Ebene, sondern auch unter der europäischen Linken für Aufruhr gesorgt: das griechische „OXI“ (Nein) im Juli 2015 und der Brexit im Juni 2016. Müde vom autoritären Gebaren und dem wirtschaftlichen Versagen der EU, ruft ein Teil der europäischen Linken jetzt zu einem „Bruch mit der EU“2 auf, eine Haltung, die gemeinhin als Lexit bekannt ist.3 DiEM25, die transnationale Bewegung für Demokratie in Europa (Democracy in Europe Movement), weist die Logik der Lexit-Position zurück und bietet den progressiven Kräften in Europa eine alternative Agenda.
Zweifelsfrei hat die Linke die Pflicht, mit all ihrer Kraft und Fantasie der EU-Praxis der Entpolitisierung der politischen Entscheidungsfindung entgegenzutreten.4 Die Frage ist dabei nicht, ob die Linke mit dem EU-Establishment und deren Vorgehensweise auf Konfrontationskurs gehen muss. Die Frage ist vielmehr, in welchem Kontext dies geschehen muss und im Rahmen welches übergreifenden politischen Narrativs. Drei Möglichkeiten stehen zur Auswahl.
Option 1: Reform der EU, „mehr Demokratie“, „mehr Europa“
Diese meist von Sozialdemokraten favorisierte (und stark im Rückzug begriffene) Option zielt auf eine Reform der EU und glaubt, dass es hierfür unter anderem „mehr Demokratie“, „mehr Europa“ und eine Reform der EU-Institutionen bedarf. Diese Option gründet auf einem Irrglauben: Die EU leidet nicht an einem Mangel an Demokratie, der sich durch „ein bisschen mehr Demokratie“ und ein paar Reformen hier und dort reparieren ließe. Wie ich jüngst in einem Buch5 argumentiert habe, wurde die EU absichtlich als demokratiefreie Zone konstruiert, darauf ausgerichtet, den Demos aus den Entscheidungsprozessen auszuschließen und diese einem Kartell der europäischen Großunternehmen und dem Finanzsektor zu überlassen. Zu behaupten, die EU leide an einem Mangel an Demokratie, ist, als würde sich eine Astronautin auf dem Mond über den Mangel an Sauerstoff beschweren…
Zur Reform der EU-Institutionen ist das Standardprozedere von Verhandlungen zwischen Regierungen und schrittweisen Änderungen an den Verträgen nicht geeignet. Die Rufe nach „mehr Europa“ sind fehlgeleitet, denn unter der heutigen EU und ihren Institutionen können „mehr Europa“ und schrittweise Reformen nur zu einer Formalisierung und Legalisierung eines Europas der Sparmaßnahmen, einer „Sparunion“, führen, einen Kurs, den ich den Schäuble-Plan nenne. Dies wiederum wird die Krise für die Schwächsten in Europa verschärfen, die Attraktivität der extremen Rechten erhöhen und ohne Zweifel das Auseinanderfallen der EU beschleunigen. Trifft diese Annahme zu, wovon ich überzeugt bin, dann bleibt uns Demokraten nur die Möglichkeit, die direkte Konfrontation mit dem EU-Establishment zu suchen. Dies bringt uns zur zweiten und dritten Option.
Option 2: Lexit – die EU verlassen
Die zweite Option ist natürlich, die EU zu verlassen. Ein eloquenter Vertreter dieses Standpunkts ist Tariq Ali.6 In einem nach dem Brexit verfassten Beitrag beschreibt Stathis Kouvelakis diese Position folgendermaßen: „Wir müssen das Spiel mit den Referenden spielen und eine Hegemonie der Kräfte der extremen und nationalistischen Rechte verhindern, die den Aufstand in eine falsche Richtung lenken könnten“. Kurzum: Wollen wir den Menschenhass der extremen Rechten besiegen, müssen wir in deren Ruf nach Referenden einstimmen, die unseren Nationalstaaten den Weg aus der EU ebnen werden.
Diese Lexit-Option wirft allerdings Fragen auf, insbesondere in Bezug darauf, wie realistisch und integer sie ist. Lässt sich die Agenda der Lexit-Befürworter tatsächlich umsetzen? Oder anders gesagt: Ist es ein realistisches Szenario, dass (in den Worten von Kouvelakis) die Linke, indem sie zu Referenden zum Verlassen der EU aufruft, „eine Hegemonie der Kräfte der extremen und nationalistischen Rechte verhindern [kann], die den Aufstand in eine falsche Richtung lenken könnten“? Und deckt sich eine solche Kampagne überhaupt mit den grundlegenden Prinzipien der Linken? DiEM25 glaubt, dass die Antwort auf beide Fragen Nein lautet und stellt sich aus diesem Grund gegen die „Lexit“-Option. Beide Fragen möchte ich nun zunächst beantworten, bevor ich kurz den Alternativvorschlag von DiEM25 diskutiere (die dritte Option weiter unten).
Früher war die Linke gut in der Unterscheidung zwischen der Analyse von Zuständen und der Analyse von Prozessen. Weil sich Marx‘ Analyse, in Anlehnung an Hegel, mehr auf Prozesse als auf deren Ergebnisse konzentrierte, vermittelte er der Linken nicht nur ein Gespür für die Zustände in der Welt, sondern auch für die Richtung des Wandels. Im Falle der EU ist dies von entscheidender Bedeutung. So kann beispielsweise unsere Haltung, die wir vor der Einrichtung des Binnenmarkts oder der Eurozone eingenommen haben, nach der Etablierung dieser Institutionen nicht bestehen bleiben. Es ist daher überhaupt kein Widerspruch,
- sich gegen Griechenlands Aufnahme in den Binnenmarkt und/oder die Eurozone zu positionieren und
- sich gegen ein Referendum über den Austritt Griechenlands aus dem Binnenmarkt und/oder dem Euro zu stellen.
Noch entscheidender ist, dass es dabei einen enormen Unterschied macht, ob unser Ausgangspunkt ein Europa ohne Grenzen ist (in dem Arbeitnehmerfreizügigkeit besteht) oder ob wir uns in einem Europa wie dem der 1950er Jahren befinden, in dem Nationalstaaten die Grenzen kontrollieren und nach Gutdünken neue Kategorien italienischer oder griechischer Proletarier schaffen und als Gastarbeiter bezeichnen.
Dieser letzte Punkt verdeutlicht die Gefahren der Lexit-Position. In der EU herrscht Freizügigkeit, das heißt, die Lexit-Befürworter akzeptieren (oder unterstützen gar aktiv) das Ende der Freizügigkeit und die Wiedereinführung von Grenzkontrollen inklusive Stacheldraht und bewaffneten Grenzbeamten. Angenommen wir könnten die Geschichte zurückdrehen und die Linke würde für ihre Unterstützung des gemeinsamen Binnenmarkts einen allgemeinen Mindestlohn verlangen. Glauben die Befürworter der Lexit-Option dann tatsächlich, dass die Linke heute den Kampf um Hegemonie gegen die extreme Rechte gewinnen kann, indem sie deren Ruf nach neuen Zäunen und einem Ende der Freizügigkeit unterstützt? Ein ganz ähnlicher Punkt ist die Frage, ob nach Meinung der Lexit-Befürworter die Linke, sowohl diskursiv als auch auf der Ebene konkreter Maßnahmen, den Kampf gegen den fossilen Energiesektor gewinnen kann, indem sie die Rückübertragung der Umweltpolitik auf die nationalstaatliche Ebene unterstützt? An beiden Fronten steuert die Linke unter dem Lexit-Banner nach meiner Einschätzung auf katastrophale Niederlagen zu.
Option 3: Der Vorschlag von DiEM25 für einen Aufstand in der EU
Damit kommen wir zur dritten Option: dem Vorschlag von DiEM25. Die Bewegung lehnt sowohl die Rufe der EU-Reformer nach „mehr Demokratie“ und „mehr Europa“ ab, als auch die von Lexit-Befürwortern geforderte Unterstützung von Referenden zur Abschaffung der EU-Ebene insgesamt und der vollständigen Rückübertragung von Kompetenzen an die Nationalstaaten. Als Gegenvorschlag setzt DiEM25 auf eine paneuropäische Bewegung des zivilen und staatlichen Ungehorsams, die zu einer breiten demokratischen Opposition gegen das Agieren der europäischen Eliten auf lokaler, nationaler und auf EU-Ebene heranwächst.
Bei DiEM25 glauben wir nicht, dass die EU über die üblichen Kanäle der EU-Politik und ganz bestimmt nicht, durch eine Lockerung der „Regeln“ zu Haushaltsdefiziten um ein halbes oder ganzes Prozent des BIP (wie es die Regierungen von Frankreich, Italien, Spanien und Portugal tun) reformiert werden wird. Vicente Navarro hat vor Kurzem geschrieben, dass „Parlamente immer noch Macht haben, unter anderem können sie Sparmaßnahmen in Frage stellen“. Die ersten fünf Monate der von Syriza geführten Regierung bestätigten dies. Allerdings liegt Navarro mit seinem Verweis auf die neue portugiesische Regierung als Beispiel leider falsch, wenn er behauptet, sie „habe die Umsetzung der Sparpolitik gestoppt, die ihnen die Europäische Kommission aufgezwungen hat“. Es wäre zu schön, wenn das wahr wäre. Tatsächlich mussten die Parteien der portugiesischen Linken, bevor sie vom Troika-freundlichen und rechtslastigen Präsidenten ein Mandat zur Regierungsbildung erhielten, einwilligen, den von der Vorgängerregierung mit der Eurogruppe vereinbarten „Verpflichtungen“ nachzukommen. Mit anderen Worten haben sie gleich am ersten Tag ihren Kotau vor dem Programm der Troika gemacht und sich damit begnügt, die Einführung neuer Sparmaßnahmen um plus-minus ein Jahr zu verzögern.7
Kurz gesagt haben nationale Parlamente und Regierungen Macht. Sie können so handeln wie die Syriza-Regierung während des Athener Frühlings, bevor sie nach dem OXI in der Nacht des Referendums kapitulierte. Mit einer Europäischen Zentralbank, die bereit war, als Vergeltung einen Bank-run zu starten und sogar das griechische Bankensystem zu schließen, kann eine progressive nationale Regierung diese Macht allerdings nur nutzen, wenn sie zu einem Bruch mit der EU-Troika bereit ist. In diesem Punkt stimmen wir bei DiEM25 mit dem Lexit-Lager überein: ein Zusammenstoß mit dem EU-Establishment ist unausweichlich. Jedoch teilen wir die Einschätzung der Lexit-Befürworter nicht, dass dieser Zusammenstoß nur in Form einer Kampagne zum Verlassen der EU erfolgen kann. Diese Annahme lehnen wir aus tiefstem Herzen ab und schlagen stattdessen vor, die Konfrontation mit dem EU-Establishment auf Grundlage einer Kampagne zu suchen, die sich bewusst den nicht umsetzbaren EU „Regeln“ auf der kommunalen, regionalen und nationalen Ebene widersetzt, dabei aber keine Schritte zum Austritt aus der EU unternimmt.
Ohne Zweifel werden uns (den rebellischen Regierungen und Finanzministern, die zur Übernahme der Agenda von DiEM25 gewillt sind) die EU-Institutionen mit Ausschluss, Bank-runs, vorübergehenden Bankenschließungen und anderen Maßnahmen ebenso drohen, wie sie der griechischen Regierung (und sogar mir persönlich) 2015 mit einem Grexit gedroht haben. An diesem Punkt ist es entscheidend, sich von der Angst vor einem Rauswurf aus der EU nicht ins Bockshorn jagen zu lassen. Man muss der EU fest in die Augen sehen, wenn man sagt:
„Tut, was ihr nicht lassen könnt! Das einzige, dass wir wirklich fürchten, ist euer alternativloses Angebot: die Fortsetzung der Spirale aus Schulden und Deflation, mit der die Massen in Europa in die Hoffnungslosigkeit und damit in die Arme der Fanatiker getrieben werden.“
Wenn wir nicht nachgeben, werden entweder sie nachgeben (in diesem Fall ändert sich die EU), oder die EU wird von ihrer eigenen herrschenden Klasse auseinandergerissen. Wenn das Establishment (die EU Kommission, die EZB, Berlin und Paris) die EU zur Bestrafung der progressiven Regierungen zerreißt, die sich geweigert haben, ihren albernen Programmen Folge zu leisten, wird dies progressive politische Ansätze in ganz Europa auf eine Weise befeuern, wie es Lexit niemals könnte.
Wir sollten die tiefgreifenden Unterschiede zwischen folgenden beiden Szenarien bedenken:
- Das EU-Establishment droht progressiven pro-europäischen Regierungen mit Rausschmiss, wenn sie sich weigern, sich der autoritären Inkompetenz der EU zu unterwerfen und
- Progressive nationalistische Parteien oder Regierungen machen gemeinsam mit der extremen Rechten Stimmung für den EU-Austritt.
Das ist der Unterschied zwischen:
(A) Einer Konfrontation mit dem EU-Establishment, die dem Geist des Internationalismus treu bleibt, paneuropäische Aktionen verlangt und uns klar von der extremen Rechten absetzt und
(B) dem Schulterschluss mit nationalistischen Positionen, die unweigerlich, die extreme Rechte stärken werden, während sie es der EU ermöglichen, die Linke als Populisten zu brandmarken, die sich nur unwesentlich von Nigel Farage, Marine Le Pen und anderen unterscheiden.
Selbstverständlich muss ein Teil der DiEM25-Agenda die Entwicklung von Strategien umfassen, die unseren Städten, Regionen und Nationalstaaten die Möglichkeit gibt, sich gegen das EU-Establishment zur Wehr zu setzen, das mit „Austritt“ oder „Rausschmiss“ als Vergeltung droht. Ebenfalls sollte die Agenda Pläne beinhalten, was bei einem Zusammenbruch oder einem Auseinanderbrechen der EU zu tun ist, wenn das Establishment dumm genug ist, diese Drohungen gegenüber unfügsamen nationalen Regierungen in die Tat umzusetzen. Dies ist aber etwas gänzlich anderes, als das Auseinanderbrechen der EU zum Ziel der Linken zu machen.
Anders gesagt, weigert sich DiEM25, das Verlassen der EU als Drohkulisse zu nutzen oder gar zu einem Selbstzweck zu machen. Die Möglichkeit, dass Regierungen im Angesicht eines drohenden Ausschlusses oder dem erzwungenen Verlassen der EU den Gehorsam verweigern, lassen wir uns aber nicht nehmen.
Internationalismus, die EU und der Nationalstaat
Der traditionelle linke Internationalismus ist neben weiteren grundlegend demokratischen Traditionen verschiedener politischer Projekte (progressiver Liberalismus, Feminismus, Umweltbewegung, Piratenparteien etc.) ein Kernelement von DiEM25. Genau dieser Internationalismus spiegelt sich auch in der Positionierung von DiEM25 zur EU wieder. Meine linken Kollegen erlauben mir hoffentlich daran zu erinnern, dass Marx und Engels, als sie den Slogan „Proletarier aller Länder vereinigt euch“ prägten, weder die Bedeutung nationaler Kulturen noch die des Nationalstaats negieren wollten. Sie lehnten lediglich die Idee eines „Nationalinteresses“ ebenso ab wie die Vorstellung, dass soziale Kämpfe der Ebene des Nationalstaats den Vorrang geben müssen.
Um eine authentische Demokratie zu etablieren, setzt DiEM25 auf eine Rebellion von Regierungen auf der lokalen, der nationalen und der EU-Ebene. Dabei priorisieren wir nicht die EU-Ebene vor der nationalen Ebene, genauso wenig wie wir der nationalen vor der regionalen oder lokalen Ebene Vorrang geben. Leider bestehen etliche europäische Linke auf einer umgekehrten Prioritätensetzung: Sie stellen die nationale über die EU-Ebene. In einer Antwort auf einen Artikel von Lorenzo Marsili und mir in La Reppublica entgegnete uns und DiEM25 beispielsweise Stefano Fassina (in dem er Ralf Dahrendorf zitierte), dass Demokratie auf der Ebene der EU „nicht funktionieren könne…, da es kein ‚europäisches Volk‘, keinen europäischen Demos für eine europäische Demokratie gäbe…“ „Unter den Idealisten und den Euro-Fanatikern“, schreibt Fassina weiter, „glauben einige immer noch, dass sich die EU zu einer Art Nationalstaat wandeln kann, nur eben größer, sie träumen von den Vereinigten Staaten von Europa.“
Den Aufruf von DiEM25 für eine paneuropäische Bewegung auf diese Weise von linker Warte aus abzulehnen, ist interessant und stimmt nachdenklich. Im Prinzip wird hier nämlich argumentiert, dass Demokratie jenseits der nationalstaatlichen Ebene nicht funktionieren kann, weil der Demos von nationaler und kultureller Homogenität geprägt sein muss. Marx Wutausbruch angesichts eines solchen Arguments kann ich mir nur zu gut vorstellen! Genauso kann ich mir die bildlichen Fragezeichen in den Gesichtern linker Internationalisten vorstellen, die von einer transnationalen Republik vom Atlantik bis so weit in den Osten wie möglich träumten und für diese kämpften.
Nur um daran zu erinnern: Die Linke hat sich traditionell dem bürgerlichen Glauben von einer eins-zu-eins-Beziehung zwischen einer Nation und ihrem souveränen Parlament widersetzt. Vielmehr argumentierte die Linke immer, das Identität in politischen Kämpfen (Klassenkampf, der Kampf gegen das Patriarchat, gegen Gender- und Geschlechterstereotype und der Emanzipierung vom Empire etc.) entsteht. Damit fügt sich der Aufruf der Bewegung DiEM25 für eine paneuropäische Kampagne des Ungehorsams gegenüber den transnationalen Eliten, der einen europäischen Demos zur Etablierung einer europäischen Demokratie schafft, in traditionelle linke Ansätze ein. Genau dieser Ansatz wird jetzt aber von Fassina und anderen unter Beschuss genommen. Politisch möchten sie zurück in die Zeiten einer Nation, eines Parlaments, einer Souveränität und dabei den Internationalismus auf die „Kooperation“ zwischen europäischen Nationalstaaten beschränken.
Theoretisch untermauert Fassina seine Priorisierung der nationalstaatlichen Ebene mit Antonio Gramsci und seinem Eintreten für die „Kategorie des Nationalen und des Volks, um den Anspruch der kommunistischen Partei Italiens mit ihrer auf der italienischen Fahne ruhenden roten Hammer und Sichel Fahne, auf Hegemonie durch ihre Verwurzelung im Volk zu sichern“. Gramscis Punkt war, dass Fortschritte auf der internationalen Ebene eine progressive Bewegung auf der Ebene der Städte und Nationalstaaten voraussetzt. Keineswegs jedoch wollte Gramsci der nationalen gegenüber der internationalen Ebene Priorität einräumen und er hat auch nicht argumentiert, dass transnationale demokratische Institutionen nicht praktikabel oder nicht wünschenswert wären.
Genau in diesem Geiste Gramscis beharrt DiEM25 darauf, dass unsere europäische Rebellion überall ausbrechen muss, in den Städten, den Regionen, den Hauptstädten und in Brüssel, ohne dass dabei einer Ebene Vorrang gegenüber einer anderen eingeräumt wird. Nur durch ein solches paneuropäisches Netzwerk rebellischer Städte, Gemeinden und Regierungen kann eine progressive Bewegung in Italien, in Griechenland, in England und ja sogar überall hegemonisch werden.
Frech könnte man schließlich fragen: „Warum bei der EU-Ebene halt machen? Wenn ihr Internationalisten seid, warum dann keine Kampagne für globale Demokratie?“ Unsere Antwort darauf lautet, dass wir für Demokratie überall und auf Grundlage eines internationalistischen Standpunkts eintreten. So ist DiEM25 gerade dabei, starke Verbindungen zu Bernie Sanders „politischer Revolution“ in den USA zu etablieren und hat Mitglieder in Lateinamerika, Australien und sogar Asien. Ob zum Guten oder zum Schlechten sei dahingestellt, aber die Geschichte hat uns eine EU ohne Grenzen vermacht. Es gibt eine gemeinschaftliche Politik in Feldern wie Umwelt und die (per definitionem internationalistische) Linke ist verpflichtet, diese Abwesenheit von Grenzen genauso zu verteidigen wie die gemeinschaftliche Klimapolitik und auch Dinge wie das Erasmusprogramm, das es jungen Europäern ermöglicht, in einem grenzüberschreitenden Bildungssystem zusammenzukommen. Sich gegen diese Errungenschaften einer ansonsten rückschrittlichen EU zu stellen, ist mit einer im eigentlichen Sinne linken Position nicht in Einklang zu bringen.
Die progressive Agenda von DiEM25 für Europa
Progressiv denkende Menschen haben die Pflicht, für die Re-Politisierung der politischen Entscheidungsfindung und die Demokratisierung der zurückeroberten politischen Sphäre zu kämpfen. Donald Trump in den USA, rechte Brexit-Befürworter in Großbritannien, Le Pen in Frankreich und andere verdanken ihren Aufstieg einer Wirtschaftskrise, die von einer Krise der Finanzialisierung und der Tatsache ausgelöst wurde, dass liberale Demokratien in einer Ära, in der die Finanzialisierung kriselt, nicht länger als liberale Demokratien funktionieren können. Die Frage, die sich der europäischen Linken, den progressiven Liberalen, den Grünen usw. jetzt stellt, ist, ob dieser Kampf, dieses Projekt, die Form einer Kampagne zum Verlassen der EU annehmen sollte (die Lexit-Position) oder, wie DiEM25 vorschlägt, des zivilen, bürgerlichen und staatlichen Ungehorsams in Konfrontation zu aber innerhalb der EU.
DiEM25 lehnt die Kampagne der Euro-Treuen zur Reform der EU im Rahmen des EU-Establishments ab, da ein solcher Wandel nur oberflächlich oder in die falsche Richtung führend sein kann. Genauso stellen wir uns der Logik der Lexit-Befürworter entgegen, das Auseinanderfallen der EU zu unserem erklärten Ziel zu machen. DiEM25 wurde zur Schaffung einer realen Alternative gegründet: eine grenzüberschreitende Welle Einigkeit schaffender Politiken quer durch Europa (in EU und nicht-EU Staaten gleichermaßen), die auf einer Allianz von Demokraten aus verschiedenen politischen Traditionen (darunter auch aber nicht nur die Linke) gründet, und zwar auf allen politisch relevanten Ebenen (Städte, Metropolen, Regionen und Staaten).
Um es zusammenzufassen: Unseren Kritikern, die die Bewegung DiEM25 und ihren Aufruf zu einer paneuropäischen Bewegung als utopisch abtun, entgegnen wir, dass eine transnationale, paneuropäische Demokratie ein legitimes und mit der langen Geschichte des linken Internationalismus in Einklang stehendes langfristiges Ziel darstellt. Im Sinne dieses Ziels müssen wir pragmatisch vorgehen und einen detaillierten Plan mit den nächsten Schritten entwickeln:
- Wir sollten uns dem Gerede von „mehr Europa“ widersetzen, denn „mehr Europa“ ist heute ein Synonym für den eisernen Käfig aus Sparmaßnahmen, auf den das EU-Establishment setzt.
- Wir müssen den Europäern einen Entwurf (einen umfassenden Satz an Politiken und Maßnahmen) präsentieren, wie wir gedenken, die Institutionen der EU zur Bekämpfung der Krise, zur Umkehr von Ungleichheit und Wiederbelebung von Hoffnung neu auszurichten.
- Wir müssen sicherstellen, dass dieser Entwurf Vorkehrungen enthält, damit der Internationalismus selbst dann überlebt, wenn der inkompetente Autoritarismus des EU-Establishments zum Auseinanderbrechen der EU führt.
„Europa wird demokratisiert – oder es wird zerfallen!“
Dies war und bleibt die Leitlinie von DiEM25. Wir können nicht vorhersagen, zu welchem der beiden Szenarien (Demokratisierung oder Auseinanderbrechen) es kommen wird. Daher kämpfen wir für ersteres und bereiten uns auf letzteres vor. Unser Beitrag ist die Ausarbeitung einer progressiven Agenda für Europa, die mit der Unterstützung progressiv denkender Experten auf der Graswurzelebene entsteht. Ihre Aufgabe wird es sein, die blinde Euro-TINA8, das reaktionäre Dogma, dass es innerhalb eines vereinten Europas keine genuin progressive Alternative zur herrschenden Politik gibt, in die Knie zu zwingen.
Das Gegengift von DiEM25 zu Euro-TINA ist die progressive Agenda für Europa, die wir in Beratung mit lokalen, regionalen und nationalen Akteuren während der nächsten achtzehn Monate zur Diskussion stellen werden. Der Bau unserer progressiven Agenda findet europaweit, bis zu den Inseln am Rande Europas, statt und ist unsere Art, den geschlagenen, entmutigten und desillusionierten Europäern zu zeigen, dass es überraschenderweise doch eine Alternative gibt.
Die progressive Agenda für Europa von DiEM25 wird pragmatisch, radikal und tiefgreifend sein. Sie wird Vorschläge für Maßnahmen enthalten, die sich zur Stabilisierung der sozialen Wirtschaft Europas sofort umsetzen lassen, während sie gleichzeitig:
- den Stadträten, Gemeinden und nationalen Parlamenten mehr Souveränität bieten;
- Eingriffe durch die Institutionen und Entwürfe vorschlagen, die die Folgen für die Menschen im Falle eines Zusammenbruchs des Euro und einer Fragmentierung der EU abfedern;
- einen Prozess hin zu einer verfassungsgebenden Versammlung einleiten, der es den Europäern erlaubt, eine europäische Identität zu entwickeln, die ihre gestärkten nationalen Kulturen, Parlamente und lokalen politischen Strukturen stützt.
Die progressive Agenda für Europa von DiEM25 zielt auf eine einigende Kampagne, die es einer progressiven europäischen Internationale ermöglicht, sich der kontinuierlich stärker werdenden Internationale der Nationalisten entgegenzustellen.
Schlussbemerkungen
Die EU befindet sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Auflösung. Für die Zukunft sind zwei Szenarien vorstellbar. Entweder:
- die EU ist (noch) zu retten und lässt sich noch demokratisieren, stabilisieren, rationalisieren und menschlicher gestalten, oder
- es besteht bereits keine Hoffnung mehr, die EU zu demokratisieren. Ihre Auflösung ist daher sicher, wie auch die deutliche und akute Gefahr, dass Europa in eine postmoderne Version der Deflation der 1930er Jahre versinkt.9
DiEM25 ist davon überzeugt, dass progressiv Denkende in beiden Fällen einen großen Fehler begehen, wenn sie die Kampagne zur Demokratisierung der EU aufgeben. Sollte eine Demokratisierung der EU noch möglich sein (eine Aussicht, die von Minute zu Minute unwahrscheinlicher wird), wäre es schade, nicht wenigstens einen entsprechenden Versuch zu wagen. Jedoch selbst wenn wir davon überzeugt sind, dass die EU nicht mehr zu demokratisieren, also nicht mehr zu retten ist, dürfen wir den Kampf um Demokratisierung nicht aufgeben (und den EU-Austritt und deren Auflösung zu einem Ziel an sich machen). Denn dies kann nur in die Hände einer einzigen politischen Kraft spielen, die davon profitieren kann, nämlich die der kompromisslosen, extremen Rechten.10
Was sollten Progressive also tun? DiEM25 schlägt vor:
- Europaweit energisch für eine demokratische Union gemäß internationalistischer und grenzüberschreitender Prinzipien agitieren, selbst wenn wir nicht glauben, dass die EU in ihrer derzeitigen Form überleben kann oder sollte.
- Die Inkompetenz des autoritären EU-Establishments offenlegen.
- Zivilen, bürgerlichen und staatlichen Ungehorsam europaweit koordinieren.
- Durch die Strukturen von DiEM25 aufzeigen, wie eine paneuropäische Demokratie auf allen Ebenen unabhängig vom Rechtssystem funktionieren kann.
- Eine umfassende progressive Agenda für Europa entwickeln, die vernünftige, bescheidene und überzeugende Vorschläge zur „Reparatur“ der EU (und sogar des Euros) und für einen progressiven Umgang mit dem Zerfall der EU und des Euros umfasst, wenn und falls das Establishment diesen Weg gehen sollte.
Wir danken Neues Deutschland für die deutsche Übersetzung und ursprüngliche Veröffentlichung dieses Artikels.
Mecklenburg-Vorpommern: Wem die Stunde schlägt
Von Lorenzo Marsili (Übersetzung Stephan Klee)
Die Rechtsaussenpartei Alternative für Deutschland hat gestern 21% der Stimmen für sich mobilisiert und damit die Partei von Angela Merkel überholt. Europas Kern ist verwundbar gegenüber den gleichen fremdenfeindlichen und nationalistischen Symptomen, die überall auf dem Kontinent zunehmen.
Mainstream-Kommentatoren sagen, dass wir uns nicht fürchten sollen, weil die Mehrheitsparteien CDU und SPD weiterhin die Landesregierung bilden können.
Aber genau das ist das Problem.
Die große Koalition ist zum Symbol des gescheiterten Europas geworden. Traditionelle mitte-links und mitte-rechts Parteien, welche bis vor kurzem noch die große Mehrheit des Wahlvolkes repräsentierten, sind heute gezwungen ihre Kräfte zu vereinen, um Aufständische in Schach zu halten und um regierungsfähig zu bleiben – knapp und mit zunehmender Schwierigkeit.
Traurigerweise wird ein Rückzug in die Festung des „Status Quo“ Europa nicht vor einer postmodernen Wiederholung der 1930er Jahre schützen. Das Misstrauen gegenüber dem politischen Establishment und den demokratischen Institutionen ist lediglich eine Reaktion auf das Spektakel der Mainstreampolitik, die sich verbarrikadiert, um ein politisches und ökonomisches System zu verteidigen, welches für eine Mehrheit nicht mehr funktioniert: eine kaputte Wirtschaft in einer zerstörten Demokratie.
Die Wirtschafts- und Flüchtlingskrisen sind zwei der entscheidenden Fehlschläge unseres kaputten Systems. Welche Lösungen bieten sich an? Die Bestechung des autoritären Erdogan-Regime um zu versuchen, Flüchtlinge ausserhalb von Europa zu behalten. Austerität (Sparpolitik), im besten Fall mit ein paar Dezimalstellen an „Flexibilität“ beim Budget, um das ökonomische Desaster anzugehen, welches nun schon seit zehn Jahren ohne Anzeichen von Besserung andauert.
Deutschland steht im Zentrum beider Fehlschläge. An der ökonomischen Front ist es das Land des „Nein“ (Nein zu Eurobonds, Nein zu gemeinsamen Investitionsplänen und so weiter) und der Hauptschuldige, durch die ideologische Blindheit seiner Regierung, an der Aufrechterhaltung einer EU-Richtlinienmischung, welche die meisten Ökonomen öffentlich als Fehlschlag sehen. Und auch als einen Fehlschlag für Deutschland: das Land mag das Kraftwerk Europas sein, hat aber auch den höchsten Prozentsatz an Erwerbsarmen, viele von ihnen an Orten wie Mecklenburg-Vorpommern, einer Region, in der das pro Kopf Einkommen näher an dem Griechenlands als dem deutschen Durchschnitt liegt.
In Bezug auf Einwanderung aber musste Deutschland gestern unter den Folgen einer Politik des „Nein“ leiden. Im speziellen das „Nein“ vieler anderer Mitgliedstaaten zur Idee eines gemeinsamen europäischen Planes für die Umverteilung und Versorgung von ankommenden Flüchtlingen. Ein Plan, der die Ängste der deutschen Wählerschaft vermindert hätte und geholfen hätte, ein Phänomen zu korrigieren, welches eine Union mit 500 Millionen Menschen problemlos bewältigen könnte.
Statt dessen ist unser Kontinent durch gegenseitige Vetos blockiert, während die Regierungen lieber Nabelschau betreiben, in der Hoffnung, dass sich die Probleme von alleine lösen.
Das werden sie nicht. Wir haben es mit einem Sturm zu tun und sitzen doch nur in Papierschiffen, die von betrunkenen Kapitänen gelenkt werden. Die Zaghaftigkeit des Establishments ist das Rezept für eine Katastrophe. Das zunehmende Gefühl vieler, politisch und wirtschaftlich ausgeschlossen zu sein, ist echt – und dauerhaft. Es repräsentiert einen großen Fehler im System, für den von den Mainstreamparteien keine überzeugende Lösung formuliert wird.
Seien wir ehrlich miteinander: die Mitte kann nicht, muss nicht und wird nicht halten. Aber um die entstehende Leere nicht den Rassisten und Reaktionären zu überlassen, müssen wir Raum schaffen für eine dritte Alternative, welche sich gleichzeitig gegen die bisherigen Richtlinien des Establishments und gegen wieder erstarkenden Nationalismus und Fremdenfeindlichkeit wendet.
Werden wir die Segel setzen können bevor wir gegen den Fels auflaufen? So wie die Tage vergehen, wird um so klarer, dass nur eine gesamteuropäische Meuterei den korrekten Kurs setzen kann.
Rede von Yanis Varoufakis beim DiEM25-Mitgliedertreffen in Ägina (August 2016)
Guten Abend.
Wir sind aus einem einfachen Grund hier:
Griechenland erstickt in einem zerfallenden Europa.
Und Griechenland wird weiterhin ersticken, solange Europa zerfällt.
Und Europa wird weiter zerfallen, solange Länder wie Griechenland erstickt werden.
Hinter dieser Spirale des Erstickens und des Zerfalls steht ein erstaunlicher Konsens zwischen ganz verschiedenen politischen Kräften: Dr. Schäuble, Kanzlerin Merkel, Präsident Hollande, aber auch die derzeitige griechische Regierung, Genossen von der Partei Popular Unity (wie deren Vorsitzender Panagiotis Lafazanis und mein geschätzter Kollege Kostas Lapavitsas), Jean Luc Melenchon (der Kandidat der französischen Linken von 2012), Oskar Lafontaine (der bewundernswerte ehemalige deutsche Finanzminister, der seine Partei verließ, um Die Linke zu gründen) – sie alle liegen auf einer Linie mit einem Konsens der Euro-Alternativlosigkeit; der Glaubenssatz, dass es innerhalb der Eurozone und der EU keine Alternative zu der Politik geben kann, an der Griechenland erstickt und Europa zerfällt.
Im Januar 2015 haben wir vom griechischen Volk den Auftrag bekommen, eine solche Alternative zu verlangen. Zu zeigen, dass Griechenland die Politik der Erstickung und des Zerfalls innerhalb des Euro umkehren kann, solange wir entschlossen waren, bis zum Ende NEIN zu sagen zu der etablierten Politik der EU – solange wir uns nicht durch die Drohung mit dem Ausschluss aus dem Euro terrorisieren lassen würden.
Die Troika (einschließlich ihrer lokalen Handlanger) entzweite uns mit ihrer Standardmethode der finanziellen Folter (verstärkt durch eine zugespitzte Drohung mit dem Grexit) und besiegten dadurch den Griechischen Frühling. Das Ergebnis? Griechenlands Erstickung und der Zerfall Europas verschärften sich. (Der Brexit und die sich vertiefende Rezession in Griechenland waren nur Symptome…)
Der Geist dieses Frühlings hat aber überlebt. Von Athen verbreitet er sich wie ein Lauffeuer nach Berlin, Barcelona, Paris, Dublin, Helsinki, London, Lissabon – in jede Ecke Europas, in Form der Bewegung „Democracy in Europe“ – DiEM25.
Sie sagen uns, dass, wenn Europäer noch einmal den Glaubenssatz der Euro-Alternativlosigkeit in Frage stellen, ihre Vertreter genauso erstick werden wie die griechische Regierung im Frühjahr 2015 – in Madrid, in Rom, wo auch immer das Dogma in Frage gestellt wird. Unsere Antwort lautet: Nur zu! Wir fürchten nichts mehr als die Spirale der Erstickung und des Zerfalls, das einzige, was sie anzubieten haben.
Ich danke Ihnen, dass Sie heute Abend hier sind. Gemeinsam bestätigen wir, dass es besser ist eine Kerze anzuzünden, als die Dunkelheit zu verfluchen.
Die Euroskeptiker haben die Globalisierung falsch verstanden: Nur eine demokratische EU kann die nationale Souveränität unterstützen
Artikel von Tomas Vanheste
Correspondent Europa between power and imagination
Aus dem Englischen übersetzt von Rolf Podlewski DiEM25 Deutschland
Photo (c) von Étienne b. photography
Leute sind da, und es sind freundliche Leute. Im legendären Café A La Mort Subite, in dem schon viele Revoluzzer und Künstler Verschwörungen planten, treffe ich vier Anhänger von DiEM25.
Yanis Varoufakis, der ehemalige griechische Finanzminister, startete diese Bewegung mit einem Manifest das die grundlegenden Prinzipien erklärt. Das Motto ist: “Die EU wird entweder demokratisiert oder sie wird auseinanderfallen!”
“Das Manifest ist eine Einladung”, sagt der Portugiese Guilherme Serodio, der nach Brüssel kam um in einem Think-Tank im Bereich der Lebensmittel – Sicherheit zu arbeiten, und der jetzt Mitbegründer eines Start-up für Markttransparenz ist. ‘Die Leute können ihre eigenen Gruppen aufbauen, niemand dirigiert sie von oben nach unten. DiEM25 wächst organisch, wir vernetzen uns und tauschen uns aus. Damit benutzen wir die Schwarmintelligenz die in unserem Netzwerk entsteht.”
“Wir haben keine formale Struktur oder Organisation”, fügt der belgische IT-Unternehmer Joren De Wachter hinzu. “ Man muss kein Mitglied sein, das Einzige um was wir die Leute in den Versammlungen bitten ist das manifest zu unterstützen. Es ist also eine echte Graswurzel – Bewegung. ICh selbst war nie Mitglied einer politischen Partei. Die alte Garde bewegt nichts – die ist verantwortlich für die Austeritätspolitik die soviel Zerstörung angerichtet hat.
“Ich bin halb Grieche, halb Schwede und in Griechenland aufgewachsen, klar bin ich sehr beunruhigt durch das was da geschieht”, sagt Erik Edman. “Ich war in Griechenland in der Zeit der sommerlichen Unruhe, bei occupy the squares. Ich war auch sehr beschäftigt mit all dem was Yanis Varoufakis getan hat. Das Manifest beruht in weiten Teilen auf den Erfahrungen die Yanis mit der EU machen musste. Es fehlt eine Menge an Demokrativerständnis im Kern des europäischen Entscheidungsprozesses.” Erik kam mit der Absicht nach Brüssel die europäischen Institutionen zu reformieren und arbeitet in einer Organisation die sich für soziale Verantwortung in Unternehmen stark macht.
‘DiEM25 zeigt uns, dass es möglich ist Leute aus unterschiedlichen politischen Traditionen und Klassen zusammen zu bringen’ (Zitat)
“Ich bin aus Portugal”, sagt Davide Castro, ein Kollege von Erik. “Meine Familie zog nach England um als ich 12 war, wegen der furchtbaren Krise der portugiesischen Wirtschaft zu dieser Zeit, die ausgelöst worden war durch die Einführung des Euro und die Zulassung von China zur WTO (World Trade Organisation). Ganze Industrien kollabierten, Fabriken wurden geschlossen. Nach meiner Graduierung zog ich nach Brüssel um, um die Leute zu treffen die so wie ich daran glauben, dass es Alternativen gibt die vom derzeitigen Rahmenwerk der EU verschieden sind. (Er gründete ‘The Critique’). Aber das ist nicht alles. DiEM25 zeigt uns, dass es möglich ist Leute aus unterschiedlichen politischen Traditionen und Klassen zusammen zu bringen.
Davide ist die Kontaktperson für DiEM25 in Belgien. Als ich ihm die Frage stellate ob er mir mehr über die Ideen und Pläne für die Bewegung erzählen könne, schlug er mir vor wir könnten uns in einer kleinen Gruppe treffen. Und jetzt sind wir hier, im “A La Mort Subite”, alles Männer. Nette, sozial engagierte, weiße, gut ausgebildete junge Männer. Sie sagen mir “wir wollen facettenreicher warden, und DiEM25 ist sicherlich gemischter als diese kleine Gruppe hier, klar sind alle Altersgruppen und sexuellen Orientierungen vertreten. Wir haben vor örtliche Gruppen und Kneipen aufzusuchen und Leute mit jedem nur denkbaren Hintergrund in unsere bestrebungen für ein besseres Europa einbinden.”
Mit diesen Vieren sprechen ich über das, was eine Demokratisierung entsprechend der Vorstellungen von DiEM25 umfassen muss, und was ihre Pläne sind um das dann auch umzusetzen.
Mehr Transparenz in Brüssel
“Das Ziel ist ein demokratisches Europa”, sagt Erik. “wenn wir das vergleichen was wir woollen und was wir zur Zeit haben, könnten wir schon ziemliche Depressionen bekommen. Darum haben wir mehrere Zwischenschritte eingeplant: Kernaufgaben die zur Zeit in den Prozessen der EU die größten Probleme aufwerfen. Schritt 1ist Transparenz. Wenn wir eine gesunde und funktionierende Demokratie haben wollen, müssen wir wissen, wer wow arum welche Entscheidungen trifft. Momentan verschwinden Regieruende und Minister für Stunden hinter verschlossenen Türen und danach erklären sie uns dann auf ihre eigene spezielle Weise was beschlossen wurde. Da gibt es keine Zusammenhänge, keine Aufzeichnungen der Meetings. Wenn wir wiessen woollen ob uns unsere Volksvertreter wirklich vertreten müssen wir die Fakten kennen. In Wirklichkeit ist das eine sehr bescheidene Forderung: wir woollen wissen was unsere Volksvertreter in unserem Namen sagen.”
DiEM25 hat eine Transparenz – Petition gestartet– klicke hier auf die Petition die schon von mehr als 76000 Leuten unterschrieben worden ist – mit Forderungen wie ein öffentliches Verzeichnis aller Treffen zwischen Lobbyisten und den Angestellten der Europäischen Kommission und Live – Übertragungen aller Treffen des European Council, der Eurogroup und den Finanzministern.
“In einer Demokratie musst Du die Möglichkeit haben die Entscheidungsfindung kritisch zu verfolgen”, erklärt Joren.
Wenn dies nicht so ist, ist das nicht legitim. Wenn ein Gesetz in einem nationalen Parlament behandelt wird ist jeder Schritt der Entscheidungsfindung öffentlich.”.
Aber ich spiele den advocatus diaboli und frage: “Trifft sich die niederländische Regierung nicht jeden Freitag hinter verschlossenen Türen? Sollten die Mitgleider einer Regierung nicht die Möglichkeit haben sich vertraulich zu treffen und frei heraus ihre Ideen auszutauschen?”
“Schon wahr, aber wir wollen hören wenn die Ministerversammlung der EU in ihren Meetings Gesetze verabschieden” kontert Joren. “ Wir wissen nicht was sie sagen und was sie beschließen. Ich bin Rechtsanwalt. Ein Beschluss der im Geheimen gefasst wurde hat keine Legitimation. Montesquieu würde sich im Grabe umdrehen bei so einer Art der Entscheidungsfindung.”
Mehr Demokratie
Das große Ziel ist ein demokratisches Europa. Es ist daher notwendig die EU zu zerlegen und etwas besseres aufzubauen, oder sie “einfach” zu reformieren.
“ Wir wollen die EU nicht kaputtmachen, noch nicht”, antwortet Erik. “Wir glauben an das europäische Projekt. Aber wir sind der Meinung, dass die EU alleine das europäische Projekt nicht repräsentiert. Sie nutzt ihr Potential nicht aus. Sie zerlegt sich selbst. Der Brexit ist das erste Symptom einer tiefgreifenden Krankheit. Die Leute fühlen sich nicht mit der EU verbunden. Du kannst keine Sympathie für einen Handelsblock fühlen.” Er spuckt das Wort Handelsblock geradezu aus. “Die EU muss sich demokratisieren und mit den Herzen der Leute verbinden oder sie wird zerfallen.”
Einer der Kernpunkte ist, dass in der jetzigen Struktur Debatten und Wahlen verboten sind (Zitat)
Erkläre doch bitte mal im Detail was Du unter Demokratisierung verstehst?
Guilherme: “Wenn Du etwas aufbaust um den Leuten mehr Teilhabe zu erlauben, must Du sie von Beginn an beteiligen. Wir sagen nicht: das ist Demokratie und hier ist der Weg wie wir sie bekommen. Nein, last uns alle zusammenkommen, nachdenken was Demokratie eigentlich ist und dann bauen wir das auf.”
Joren: “Einer der Kernpunkte ist, dass in der jetzigen Struktur Debatten und Wahlen verboten sind. Nur die Wirtschaftspolitik ist institutionalisert. Das ist verrückt! Wirtschaftspolitik ist das Ergebnis von demokratischer Entscheidung. Die EU wurde bis heute von oben nach unten regiert: Die sagen, “wir sind die Regierungen, die Erleuchteten, und wir gehen hin und sagen Euch was zu tun ist”. Wir hingegen plädieren für ein Von – unten – nach – oben – System des 21. Jahrhunderts.”
Davide: “ Im Jahr 2018 wollen wir eine konstituierende Versammlung abhalten, in der eine Menge Leute aus ganz Europa sich mit Experten treffen können, und bei der eine umfängliche Schwarmintelligenz aufgebaut und nutzbar gemacht werden wird und sich Gedanken macht wie wir aus dieser Situation herauskommen.”
“Europäisierung” der wichtigsten Aufgaben
Das Manifest stellt fest, dass DiEM25 die Politik in fünf zentralen Gebieten europäisieren will:
Staatsschulden, Bankenwesen, unzureichende Investitionen, Migration und Anstieg der Armut. Gleichzeitig stellt es fest, dass die nationalen Selbstbestimmungsrechte berücksichtigt werden sollten. Ist das nicht ein Widerspruch?
Davide: “Kritiker warden sagen, dass die Länder Europas viel zu unterscheidlich sind um eine Einheit daraus zu bilden, aber die mangelhafte Demokratie und Transparenz sind Aufgaben die eine Menge Leute in den Niederlanden, Portugal, Griechenland und England unter einen Hut bringen können. Wir sollten wirklich die echten Ängste und Befürchtungen wahrnehmen die überall in Europa da sind und sie in einer Art und Weise abarbeiten die Grenzen überwindet. DiEM25 ist deshalb einzigartig weil das genau das ist was wir tun. Es ist eine Europäische Bewegung die versucht den Wandel auf dem gesamten Kontinent voran zu bringen.
Joren: “Es gibt keinen Widerspruch zwischen Souveränität auf nationaler Ebene, europäischer Identität und einer Staatsangehörigkeit die Dir erlaubt auch auf dieser Ebene zu tätig zu warden. Wer auf eine Gegensätzlichkeit zwischen diesen beiden pocht der denkt immer noch im Schema des 20. Jahrhunderts. Nein, es ist eine perfekte Koexistenz und gegenseitige Ergänzung zwischen Beidem möglich. Merh Demokratie auf europäischem Level verbessert die Souveränität auf jedem Level.”
“Du kannst leicht behaupten, dass es da keinen Widerspruch gibt. Aber in diesen Zeiten der Euroskepsis nehmen die Leute das anders wahr. Meinungsumfragen zeigen, dass die meisten Bürger wollen, dass die Macht von der EU zurück an die Mitgliedsstaaten verlagert wird.
Davide: “ Wir sprechen über Themen wie das Fehlen von Investitionen, Bankenkrise und Migration. So etwas kann nicht auf nationaler Ebene gelöst werden. Kritiker mögen schon behaupten, dass es utopisch ist eine paneuropäische Bewegung aufzubauen die sich um solche Probleme kümmert, aber es ist genauso utopisch einfach zu sagen das wird schon verschwinden wenn wir alles so lassen wie es ist … wir müssen unbedingt über Alternativen nachdenken.”
Erik: “ Wir sind keine Euroskeptiker wie Farage, aber sicher sind wir Euroskeptiker. Skeptome bedeutet etws zu Ende zu denken. Wir halten die EU für seine wundervolle Idee, als Antwort auf sehr ungute Zeiten entworfen, aber auf die falsche Art verwirklicht.“
“ Die Frage ist: was für eine EU willst Du haben? Eine ohne Reisebeschränkungen oder eine wo Du an der Grenze zwei Stunden Schlange stehen musst?” (Zitat)
Guilherme: “Ich glaube auch nicht, dass es viele Länder gibt in denen die Leute für einen Ausstieg aus der EU stimmen würden, schon gar nicht nach dem Brexit – Referendum. Ich glaube viele Leute würden sagen: Ich fühle mich als Europäer, aber diese EU repräsentiert mich nicht. Und eine ganze Generation von Erasmus – Studenten ist im Kommen.”
Joren: “Nur Journalisten fragen so. Wenn Du die Debatte auf diese Art einengst bist Du Teil des Problems. Die Frage ist unfair: Sie setzt die Nation in Gegensatz zu Europa. Beide sind Teil desselben Prozesses. Wenn Du sagst die Leute sollen auswählen verfälschst Du die Debatte und bist intellektuell nicht ehrlich.Die Frage ist nicht ob Du mehr oder weniger Europa willst, sondern was für ein Europa Du willst. Eins ohne Reisebeschränkungen oder eine wo Du an der Grenze zwei Stunden Schlange stehen must? Ein Europa wo Deine Kinder in einem anderen Land studieren können oder eines wo Du Zoll auf Importe aus Italien zahlen must?”
Erik: “Unser Standpinkt ist dass, wenn die Leute sehen was Europa sein könnte (und dafür müssen wir das Bewusstsein schaffen), dann würde sie dem zustimmen. Europa und seine Staaten warden derzeit dargestellt als kommunizierende Gefäße. Wenn eines mehr Inhalt hat, hat das andere weniger. Das ist völlig falsch, denn die Souveränität wurde schon vor langer Zeit durch die globalisierte Welt beendet. Als Grieche kann ich Dir sagen: Der Staat verlor seine Souveränität schon vor langer Zeit.”
Seid laut!
Wunderschön, so ein Bekenntnis zu Europa, aber ich will wissen wie DiEM25 konkret an der Änderung Europas arbeiten will.
“Wir gehen auf die Barrikaden”, scherzt Erik.
“WIr sind eine politische Bewegung”, sagt Joren. “Wir warden Debatten organisieren, und lassen die Leute sich in Publikationen und Petitionen ausdrücken. Wir gehen hin und machen Lärm in der Öffentlichkeit, stoßen Ideen an, und beeinflussen die Umstände unter denen die Debatte geführt wird.”
“Klage mich nicht an, dass ich vorschnell philosophische Debatten halte ohne politische Lösungen zu haben”, sagt Guilherme. “Genau das ist Yanis Varoufakis auch passiert während der Monate der griechischen Tragödie. Er wollte das System dabattieren, aber ihm wurde gesagt: Du bist zu philosophisch, wir müssen aber in der Praxis leben. Bei unseren Veranstaltungen, machen wir Brainstorm und bauen miteinander. Alles geht ums Miteinander”
“Wir vernetzen Netzwerke”, sagt Davide. “Letzten Sonntag hatten wir die vierte Generalversammlung. Du kannst besser zusammenarbeiten wenn Du die anderen besser kennst. Genz wichtig ist es eine freucnschaftliche Athmosphäre aufzubauen. “
Ich werde ihnen folgen, diesen Freunden.
This article originated on the ad-free journalism platform The Correspondent, your antidote to the daily news grind. Like this piece? Sign up to receive a story a week from The Correspondent at www.corr.es/newsletter. Like Tomas Vanheste on Facebook or follow him on Twitter @tvanheste.