Zeit für einen Neuanfang

„Es hat keinen Sinn, eine Mehrheit für die Sozialdemokraten zu erringen, wenn der Preis dafür ist, kein Sozialdemokrat mehr zu sein.“
– Willy Brandt


 

Liebe Sozialdemokratinnen, liebe Sozialdemokraten,
liebe Mitglieder der SPD, liebe AnhängerInnen, liebe SympathisantInnen,

die Geschichte der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands ist eng verflochten mit einigen der bedeutendsten sowie kontroversesten Momente in der Geschichte der deutschen und europäischen Arbeiter*Innenbewegung.
So war die SPD die wohl fortschrittlichste Partei während der Zeit des Deutschen Kaiserreichs und wusste sich, trotz aller Repression von Seiten der konservativen, monarchistischen und nationalistischen Staatsmacht, für die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter stark zu machen und die Stimme einer republikanischen Hoffnung darzustellen. Sie war die politische Heimat vieler fortschrittlicher PolitikerInnen und DenkerInnen dieser Zeit, so beispielsweise August Bebel und Clara Zetkin, Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, Friedrich Ebert und Philipp Scheidemann.

Ihre mehrheitliche Zustimmung zu den Kriegskrediten im Jahr 1914 sowie ihre Beteiligung an der Niederschlagung sozialistisch-räterepublikanischer Bewegungen nach dem Ende des Ersten Weltkrieges ließen allerdings erste Schatten auf die „Alte Dame SPD“ werfen und führten zu einem bis heute nicht mehr überwundenen Bruch innerhalb der politischen Linken.

Auch wenn sicherlich einige Kritikpunkte an den Sozialdemokraten der Weimarer Zeiten zu finden ist, so bleibt doch vordergründig der Respekt vor der Treue dieser Menschen zu den Prinzipien von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Menschenrechten im Kampf gegen den aufziehenden Nationalsozialismus und der faschistischen Barbarei. Viele mussten dafür ihr Leben lassen oder aber Heimat und Familie gegen Exil eintauschen.

Nach dem Krieg stand die SPD wie keine zweite Partei für den bundesrepublikanischen Sozial- und Wohlfahrtstaat sowie, unter der Kanzlerschaft von Willy Brandt, für die Entspannungspolitik in Mitten des Kalten Krieges.

Genauso wie sie maßgeblich dazu beitrug, den bundesrepublikanischen Sozialstaat aufzubauen, war sie allerdings auch federführend in dessen Beseitigung durch die „Agenda 2010“ und der politischen Neuausrichtung hin zur „Neuen Mitte“.

Sie war – wie ihre sozialistischen und sozialdemokratischen Schwesterparteien in ganz Europa – unfähig geworden, der neoliberalen Wende seit Ende der 70er Jahre irgendetwas entgegenzusetzen. Stattdessen übernahm sie die Paradigmen des Neoliberalismus und half sie in praktische Politik zu überführen – zum Wohle der Wettbewerbsfähigkeit!

Damit stellte sie sich gegen alle, die als Verlierer dieser neoliberalen Strukturreform zu gelten haben:

–  alleinerziehende Frauen und Männer

– ältere, „unflexible“ Arbeitnehmer*Innen

– Menschen mit geringer Bildung oder fehlenden Fremdsprachkenntnissen

– Körperlich oder seelisch beeinträchtigte Menschen

– Rentnerinnen und Rentner

– Migrantinnen und Migranten mit unzureichenden Sprachkenntnissen

Kurzum – all jene, die in der kapitalistischen Konkurrenz „Handicaps“ aufweisen, weil sie nicht in den Archetyp eines immer mobilen und zum Perfektionieren seines „Humankapitals“ fähigen oder bereiten Menschen passen. All jene also, die sie vorgibt politisch zu vertreten.

Es ist Zeit für einen Neuanfang – Zeit für progressive Allianzen

Wir schreiben nun das Jahr 2018. Die Führung der SPD ist ein weiteres Mal bereit, in eine Große Koalition einzutreten. Die „Alte Dame“ ist schwach geworden und nur noch ein Schatten ihrer Selbst. Vielleicht ist es an der Zeit, einen neuen Weg zu gehen. Einen, der bestimmte Traditionslinien der alten SPD aufgreift, sie ins Neue überführt, ihren internationalistischen Anspruch ernst nimmt und sich  wirksam und offensiv gegen die neoliberalen Dogmen unserer Zeit stellen kann.

Liebe Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten, hiermit laden wir euch ein, gemeinsam mit uns an den Aufbau einer neuen, progressiven Allianz für Europa zu arbeiten. Eine Allianz die nicht nur einfach davon zehrt, was die Sozialdemokratie einst gewesen ist, sondern die die fortschrittlichen Ansätze in Europa wahrnimmt und fähig ist, sie zu vereinen. Seien es zivilgesellschaftliche Interventionen, die es schaffen, die Entscheidungsmacht wieder zu erkämpfen, wie in Barcelona. Gegen Korruption anzugehen wie in Neapel. Für Frauenrechte und Gewaltenteilung einzustehen wie in Polen. Oder aber, sich auf die Seite der gewerkschaftlichen Kämpfe gegen den neoliberalen Reformkurs zu stellen wie in Frankreich. Eine Allianz, die sich nicht den nationalen Egoismen unterwirft und benachteiligte Menschen gegeneinander ausspielt, sondern die Lösung in dem gemeinsamen Ziel zur Einrichtung eines guten Lebens für Alle sucht.

Denn das ist es woran wir alle glauben, wofür es sich zu kämpfen lohnt und genau deshalb sollten wir es gemeinsam angehen.

 
 

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