Kriegstreiberei war schon immer ein von den Eliten genutztes Instrument, um gesellschaftlichen Widerstand zu neutralisieren. Wenn die Menschen anfangen, ihre Stimmen gegen Armut und Ungleichheit zu erheben, und die Eliten spüren, dass ihre Macht und ihre Privilegien in Gefahr sind, dann wenden sie nationalistische Rhetorik an, um den Ärger der unterdrückten Menschen umzulenken. Mit billiger zündfähiger nationalistischer Rhetorik überzeugen sie die Menschen, dass nicht die heimische wirtschaftliche und politische Elite der Feind ist, der sie arm macht, sondern die gleichermaßen armen und hungrigen Menschen in anderen Ländern. Wenn die Eliten den Krieg auch verursachen, sind sie es doch nicht selbst, die zu den Waffen greifen und in den Krieg ziehen. Stattdessen ist es das einfache Volk, welches sich gegenseitig bekämpft. Wie ein berühmter serbischer Sozialist einst, vor mehr als einem Jahrhundert, sagte: reiche Leute schicken ihre Ochsen in den Krieg, und arme Leute ihre Söhne.
Auch wenn dies ein in den Ländern Ex-Jugoslawiens wohlbekanntes Phänomen ist, so scheinen die Eliten dieser Länder doch wieder einmal dieselbe Taktik anzuwenden. Die Gesellschaften sind dabei, zu zerfallen, zweieinhalb Jahrzehnte nach dem blutigen Auseinanderbrechen Jugoslawiens und der Wiedereinführung des Kapitalismus in diesem Gebiet. Mittels Privatisierungen plünderten einige wenige Oligarchen die gemeinschaftlichen Güter, die heimische Industrie wurde zerstört, öffentliche Bildungs- und Wohlfahrt-Einrichtungen werden zerstört, Arbeitslosigkeit und Armut nehmen auf alarmierende Weise zu, um sich greifende Korruption und autoritäre Vorschriften machen die Lebensbedingungen unerträglich. Aus dieser Situation heraus protestieren überall die Menschen und verlangen nach Gerechtigkeit und Gleichheit. Die Massendemonstrationen 2014 von Arbeitern in Bosnien, die kürzlichen Proteste in Mazedonien und massive Bürgerproteste in Belgrad und Zagreb sind nur die Spitze des Eisbergs dieser Revolte. Die Eliten sind sich dessen wohl bewusst; sie verstehen, dass das gegenwärtige sozialwirtschaftliche System und ihre Privilegien bedroht sind, und versuchen nun, die unterdrückten Menschen gegeneinander auszuspielen. Die jüngsten Spannungen in der Region zeigen das nur allzu deutlich. Mit ihren gefährlichen Aussagen wecken die Politiker dieser Länder den Geist der Vergangenheit, und machen das Thema Krieg zu einem regulären Bestandteil in öffentlichen Diskursen.
Zuerst eskalierten die Spannungen in Bosnien über das Referendum in der Republik von Srpska. Statt sich um Themen wie die enorme Arbeitslosigkeit und Armut in allen drei Teilen Bosniens zu kümmern, überboten sich die nationalen Führer der Serben, Kroaten und Moslems gegenseitig mit kühnem Kriegsgeschrei. Diese ganze Situation diente letztendlich nur ihnen selbst, um politisch zu punkten und mit ihrer katastrophalen Wirtschaftspolitik weiterzumachen. Wie ein bosnischer Hip-Hop-Künstler in einem seiner Lieder es ausdrückte: „ihr vertretet drei Nationen, doch beim Stehlen seid ihr ein Team“.
Nach Bosnien eskalierten die Spannungen zwischen Serbien und Kroatien. Und wieder wetteiferten die beiden Regierungen um die explosivsten Aussagen, was wiederum eine sehr spannungsgeladene Atmosphäre in der Region zur Folge hatte. In Serbien sind heute wieder dieselben Parteien an der Macht, welche in den 90ern die Menschen in Krieg und Leid geführt haben.
Nach Bosnien eskalierten die Spannungen zwischen Serbien und Kroatien. Nach der Bagger-Revolution im Jahr 2000 zerstörten die „Demokraten“ mit ihrer neoliberalen Politik die heimische Wirtschaft, was in Folge die Parteien der 90er Jahre an die Macht brachte. Die Serbische Fortschrittspartei (eine Partei, welche aus Vojislav Seseljs rechtsextremer Serbischen Radikalen Partei und der „Sozialistischen“ Partei Serbiens (Slobodan Milosevics Partei) hervorging) setzt unter dem Diktat des IMF harte Austeritätsmaßnahmen um, welche enorme Ungleichheit und Armut verursachen. Da deren Politik großer Widerstand entgegensteht, versuchen sie nun, die Situation zu beruhigen, indem sie das anwenden, worin sie am besten sind – billige nationalistische Rhetorik. In Kroatien ist die Lage sehr ähnlich. Die Kroatische Demokratische Union – eine nationalistische Partei, welche auch während des Krieges regierte – ist noch immer an der Macht. Ausnahmen bildeten die beiden sozialdemokratischen Mandate, doch deren Politik war nicht viel anders, da sie rechts umschwenkten, so wie alle europäischen Sozialdemokraten.
Der jüngste Konflikt eskalierte zwischen der serbischen Regierung und der Regierung in Pristina. Die serbische Regierung ließ einen Zug von Belgrad aus in den serbischen Teil des Kosovo fahren, auf welchem in 20 verschiedenen Sprachen geschrieben stand: „Kosovo ist Serbien“. Kosovos Regierung sandte Spezialeinheiten der Polizei, um den Zug anzuhalten, was Serbiens Premierminister in seiner dramatischen Art als Kriegshandlung interpretierte. Und wieder ließen Offizielle auf beiden Seiten flammende Kriegshetze verlauten, und der serbische Präsident äußerte sogar, dass es selbst in den Krieg ziehen würde, wenn nötig. Mit der provisorischen Regierung in Pristina ist es nicht besser als mit den anderen in der Region, da heutzutage der Kosovo praktisch als koloniales NATO-Protektorat fungiert, und auch, weil Kosovos Präsident – Hasim Taci, der als Kriegsverbrecher angeklagt ist – eine weitere wohlbekannte Figur aus den 90ern ist. Mit dieser Sorte Führung haben die Menschen im Westbalkan allen Grund, um ihre Zukunft zu fürchten.
Da DiEM25 eine Bewegung ist, deren Kern in internationaler Solidarität gegen reaktionäre Kräfte, welche die EU zerstören wollen, besteht, rufen wir, die DiEM25-Mitglieder Serbiens und Kroatiens, zu gemeinsamer Aktion auf gegen diese Versucher der Elite, die Menschen unserer Region zu spalten. Wir, wie auch die Mehrheit der Menschen in unseren Ländern, kaufen ihnen diese lahmen Versuche nicht ab, und wir werden die Verbreitung von Kriegspropaganda und das Schaffen von Spannungen nicht dulden. Wir rufen alle progressiven Organisationen, Bewegungen und Individuen dazu auf, zusammen ihre Stimme zu erheben gegen diesen Wahnsinn, und sich im Widerstand zu vereinen. Aufgrund der wirtschaftlichen Krise sprießen überall die Rechtspopulisten und spalten die Menschen unterschiedlicher Nationen, Religionen und Hautfarben, und nur durch internationale Solidarität können wir sie aufhalten und ein anderes, ein demokratisches Europa aufbauen.
Carpe DiEM25!
DSC Belgrad 1 & DSC Zagreb 1
Cover picture: youtube screenshot
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