Kasia

For The Times They Are A-Changing

In den vergangenen Wochen wurde ich öfters von DiEMistas gefragt: „Elisa, warum gibt es so wenige Frauen in DiEM25?“
 
Normalerweise fange ich dann an zu stammeln. Ich bin eine Frau, also sollte ich es wissen… Denk Elisa!
 
Aber weder gibt es eine einzige Antwort auf diese Frage, noch habe ich die Deutungshoheit, sie zu beantworten.
Als aktives DiEM25 Mitglied habe ich in den vergangenen 1,5 Jahren dennoch einige Erklärungen gefunden. So beobachtete ich unsere externe und interne Kommunikation akribisch, unsere thematischen Prioritäten, unsere Sprache, unsere Aktionen und fehlende Aktionen, Meritokratie oder einfach die „Gesellschaft“. Durch dieses Beobachten fand ich Aufschluss. Am meisten aber verstand ich die Gründe für das Fehlen von Frauen in DiEM25 durch meine ganz unmittelbare, persönliche Erfahrung- man könnte sagen, durch meine verkörperte Erfahrung. Meine Erklärungen sind, wie ich bereits sagte, von diesen Erfahrungen informiert, sowie von meinem Hintergrund in sozialer Anthropologie. Sie sind und können darum nur subjektiv sein.
 
DiEM25 wurde vor zwei Jahren in der Berliner Volksbühne auf die Welt gebracht, wohin wir letzten Mai zurückkehrten. Im Rahmen dieser Veranstaltung war ich in einen „Gender Workshop“ involviert, für welchen wir eine interne Umfrage unternommen hatten. Wir wollten mehr über die Gender Balance in unserer DSC Struktur erfahren. Unsere informelle Schätzung erlangte durch dieses Unterfangen Evidenz: 80%iger Männeranteil. Den Frauenanteil kann sich jede*r selbst errechnen.
 
Selbstverständlich waren wir – meine Freundin Roberta und ich – uns den Grenzen eines solchen Unterfangens durchaus bewusst. Im Gegenteil lehnten wir dieses Vorgehen sogar ab. Solche Bilder von Realität, die in Prozent gemessen werden können, können ihrem Anspruch nicht gerecht werden. Diversität ist bereits selbst ein Wert. Nun ist es aber so, dass genau diese vermeintlich objektiv messbaren Kategorien – Männer/Frauenanteil, BIP… – unsere Wahrnehmung der Welt strukturieren. Wie kann man also etwas beschreiben, wie Diversität, ohne das nötige Kategorienset zu haben?
Bis dahin müssen wir uns wohl noch mit % begnügen und achtsam mit solchen „80/20“-Angaben umgehen.
 
Seit dem letzten Treffen an der Volksbühne hat sich aber etwas verändert. Die weibliche Abstinenz ist sehr offensichtlich geworden. Wir diskutieren dieses Thema offen und andauernd und auch die Strategien, die notwendig sind, um das Ungleichgewicht in den Griff zu bekommen. Diese Tatsache ist Teil unseres kollektiven Bewusstseins in der Bewegung geworden. Letzten Monat, als wir DIEMs 2. Geburtstag- wieder in Berlin, feierten- experimentierten wir mit so genannten Vermittler*innen. Die Aufgabe der Vermittler*innen war es in den Workshops sicherzustellen, dass alle die Möglichkeit gerechter Partizipation hatten. Das ist ein Anfang, aber Diversität und Gender Balance müssen noch weiter in unsere politische Praxis und Policy eindringen.
 
Etwas expliziter gesagt: wir brauchen eine feministische Perspektive auf Care im European New Deal, so wie wir Sensibilität in unserer Diskussionskultur etablieren müssen. In unserer Arbeit zu Arbeit, müssen wir die extremen Ungleichheiten von Gender mitdenken, so wie wir den Raum erschaffen müssen, in dem die feministische Stimme sprechen kann. Wir müssen Parteiflügel errichten und dabei sicherstellen, dass die Bewegung die Führung übernimmt. Wir brauchen diese Dialektik in unserem Kampf für mehr Demokratie in Europa (und darüber hinaus). Und wir müssen den Frauenkampf stets entlang dieses Weges ansiedeln.
 
Teil dieses Prozesses wird sein, dass wir Partner*innen über die Bewegung hinaus suchen. Im Februar stellate der DSC Berlin eine Plattform bereit, die es mir gestattete ein Gespräch mit Meral Çiçek, einer tollen Sprecherin und wahren Intellektuellen aus Südkurdistan, zu moderieren. Auf meiner ganz persönliche DiEM25 Reise, habe ich Kontakte zur kurdischen Bewegung, vor allem der kurdischen Fraunbewegung hergestellt. Als Meral dann sprach, war das ein besonderer Moment für mich und als ich in die Gesichter unserer Gruppe blickte, konnte ich fühlen, dass es anderen ähnlich ging.
 
Wir müssen solche Verbindungen kultivieren und anstatt das Problem diverser Partizipation intellektuell anzugehen, konkrete Einladungen verschicken. Dadurch können wir gleich das umdrehen, was David Graeber „lopsided structures of the imagination” (verdrehte Strukturen der Vorstellung) nennt. Solche verdrehten Strukturen entstehen unter den Bedingungen von struktureller Ungleichheit und beziehen sich auf das Phänomen, dass Unterdrückte stets mehr interpretative Arbeit leisten müssen als ihre Unterdrücker. Wenn du verstehen möchtest, wie und warum du unterdrückt wirst, musst du dir die Logik von Unterdrückung vorstellen. Herrschende Klassen tun das in der Regel nicht.[1]
 
Meine letzten Erfahrungen in und mit DiEM25 haben gezeigt, dass die Zeiten sich ändern. Das gibt mir viel Hoffnung für unsere Zukunft. Oder um es Meral sagen zu lassen: “die Revolution ist nicht ein Moment, sondern ein Prozess.”
 
Carpe DiEM!
 
 
[1] Mit Unterdrücker meine ich nicht die ganz konkrete Version, also den mit-dem-Stock-hauenden-Unterdrücker, sondern eher eine strukturelle Version.
 
 
Elisa ist Mitglied des deutschen Bundeskollektives und des DSC München.
 

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