Ein brauner Tag für Europa
Gas und Kernenergie werden grün gefärbt, aber wir werden nicht aufhören, uns für eine echte Energiewende einzusetzen.
Die Europäische Kommission hat sich mit den Mitgliedern des EU-Parlaments darauf geeinigt, die grüne Energiewende nicht nur zu verlangsamen, sondern zu bestreiten. Die Taxonomie ist braun geworden – Gas und Kernenergie werden als “grüne” Energie bezeichnet.
Wir von DiEM25 haben die Öffentlichkeit gewarnt, dass Kernenergie ein Ausgangspunkt für Atomwaffen ist und dass sie unzuverlässig, teuer, gefährlich und langsam zu installieren ist, während Gas endlich und zerstörerisch ist und zu dem Problem beiträgt, das die Kommission vorgibt, lösen zu wollen.
Wir haben gemeinsam viel Arbeit und Ressourcen in unsere “Don’t Paint It Green“-Kampagne gesteckt, die die Möglichkeit bot, unsere Petition zu unterzeichnen, einen Tweet an die Präsidentin der Kommission zu senden und eine E-Mail an die Mitglieder des Europäischen Parlaments und andere zu schicken. Und wir haben es nicht dabei belassen. Unsere Genossinnen und Genossen erschienen direkt vor dem Parlament in Schutzanzügen mit einem Fass, um ihre Besorgnis auszudrücken und lautstark zu verkünden: Stürzt die Oligarchie!
Dies ist jedoch nicht das Ende. Wir schätzen alle Ihre Bemühungen, uns zu helfen, und wir werden nicht aufgeben. DiEM25 wird jede Art von Klage gegen diese braune Taxonomie unterstützen, und wir werden auf der Straße und im Internet präsent sein, um uns dieser Scharade entgegenzustellen. Sie können bald weitere Nachrichten von uns in dieser Angelegenheit erwarten.
Aber wie Sie wissen, brauchen wir die finanziellen Mittel, um dies zu verwirklichen. Wir sind nicht auf Institutionen oder staatliche Gelder angewiesen, da wir ausschließlich basisdemokratisch finanziert sind. Wenn Sie mehr von unseren direkten Aktionen sehen möchten, wie die oben beschriebene, die wir in Straßburg durchgeführt haben, spenden Sie bitte.
Oder noch besser, wenn Sie sich uns anschließen möchten, um unsere Kampagne “Don’t Paint It Green” zu planen und durchzuführen: Melden Sie sich hier an und nehmen Sie Kontakt auf!
Wir werden nicht zulassen, dass die Kommission und das Parlament den letzten Nagel in den Sarg eines grünen Europas schlagen – des einzigen Europas, das eine Zukunft hat.
Jahrestag des griechischen Referendums: Der Kampf geht weiter
Sieben Jahre sind seit dem griechischen Referendum am 5. Juli 2015 vergangen. Es gibt einige, die sich nicht mehr an jene hitzigen Sommerwochen erinnern werden, in denen die Welt ein europäisches Drama, oder besser gesagt eine griechische Tragödie, miterlebte. Und doch wurde die heutige Europäische Union im Sommer 2015 geboren, geprägt von den damals getroffenen Entscheidungen. Um zu verstehen, was im Jahr 2022 auf uns zukommt, müssen wir verstehen, was 2015 in Griechenland geschah.
Eine konservative Union
Es wird seit langem darüber diskutiert, ob es möglich ist, innerhalb der rechtlichen Beschränkungen der EU wirtschaftlich progressiv zu sein. Die Vorschriften, die sie regeln, wie die Binnenmarktgesetze und die Gemeinsame Agrarpolitik, kommen dem großen Industriekonzernen und der Wirtschaft von Finanz- und Industriemächten wie den Niederlanden und Deutschland zugute.
Dieses Problem wird durch den Euro noch verschärft, der den deutschen Industriegiganten in Bewegung hält und die übrigen europäischen Nationen an sein Schicksal bindet. Das wäre natürlich nicht so schlimm, wenn Europa von einer politischen Union regiert würde, die dafür sorgt, dass die Gewinne unter allen Europäer:innen gleich verteilt werden. Leider könnte die Realität nicht weiter davon entfernt sein.
Trotz aller konservativen Tendenzen gab es eine Reihe von ehrgeizigen Versuchen, die Integration des europäischen Projekts zu vertiefen und auszuweiten. Seit Beginn der Wirtschaftskrise im Jahr 2008 wurden diese jedoch durch verzweifelte Maßnahmen mit zunehmend autoritärem Charakter ersetzt, die darauf abzielen, die Architektur der EU um jeden Preis zu erhalten.
In diesem Umfeld musste das griechische Verhandlungsteam unter der Leitung von Yanis Varoufakis den Umgang Europas mit den griechischen Schulden im Jahr 2015 neu verhandeln. Dies bedeutete, sich gegen die Privatisierungen der Oligarch:innen und die wirtschaftsfeindlichen Sparmaßnahmen zu stellen und eine Politik zu verfolgen, die es der griechischen Wirtschaft ermöglichen würde, sich zu erholen und eine ehrliche Chance zu haben, eines Tages ihre Schulden zurückzuzahlen.
Ein untreuer Held
Alexis Tsipras wurde mit dem klaren Mandat zum griechischen Ministerpräsidenten gewählt, die Sparmaßnahmen zu beenden, die von den Kreditgebern des Landes und ihren lokalen Verbündeten angemahnt wurden.
Leider begann er innerhalb weniger Monate, parallel dazu Gespräche mit seinen europäischen Amtskolleg:innen zu führen, die die Bemühungen von Varoufakis in Brüssel untergruben und langsam signalisierten, dass er bereit war, vor der EU zu kapitulieren und die Sparprogramme fortzusetzen.
Nachdem die Kreditgeber der griechischen Regierung ein Sparpaket vorgelegt hatten, organisierte Tsipras ein Referendum über die Annahme des Pakets, das die Politik enthielt, gegen die er gewählt worden war. Wie die Geschichte zeigt, hoffte er, dass er es verlieren würde.
Eine verratene Revolution
Im Vorfeld des Referendums war Europa in heller Aufregung. Die Propaganda stellte das Referendum über die Annahme weiterer Sparmaßnahmen als eine Entscheidung darüber dar, ob Griechenland im Euro bleibt oder nicht.
Andere gingen noch einen Schritt weiter: Es sei eine Frage, ob das Land in der EU bleiben würde. Die Griech:innen wurden mit Schreckensmeldungen über mögliche Engpässe bei Lebensmitteln und Medikamenten bombardiert, ganz zu schweigen vom finanziellen Ruin.
Dann geschah etwas Unerhörtes: Während die Debatten für und gegen das Sparpaket tobten, schnitt die Europäische Zentralbank (EZB) den griechischen Banken den Zugang zu Liquidität ab, so dass die Griechen keinen Zugang zu Bargeld hatten. Es herrschte eine wahrhaft kriegerische Stimmung im Land.
Bis heute wurde die Konsultation über die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme von der EZB nicht veröffentlicht, trotz der Bemühungen, die Zentralbank zu zwingen, das mit öffentlichen Geldern beschaffte Dokument zu veröffentlichen.
Die Griech:innen wurden eindeutig erpresst. Tausende von Menschen gingen in ganz Europa zur Unterstützung auf die Straße, was sich zu einer Bewegung entwickelte, die erkannte, dass die Zukunft der EU selbst auf dem Spiel stand: Würde sie eine autoritäre Institution sein, die die Bürger:innen zur Unterwerfung zwingt, oder eine echte Union von Menschen, die durch eine auf gemeinsamen Wohlstand und Solidarität ausgerichtete Politik verbunden sind?
In diesen heißen Sommermonaten wurde der Geist von DiEM25 geboren, als einige von uns erkannten, dass die EU entweder demokratisiert werden oder zerfallen sollte.
Die Tatsache, dass die Griech:innen gegen die Sparpolitik gestimmt haben, obwohl sie von ausländischen und einheimischen Eliten unter Druck gesetzt wurden, zeugt von der Tiefe und Stärke der Bewegung, die ihren Kampf angeführt hat.
Tsipras’ völliger Verrat an dieser kraftvollen Haltung seines Volkes und seiner Verbündeten aus der ganzen Welt hat nicht nur die Glaubwürdigkeit der griechischen Linken beeinträchtigt, sondern auch den Glauben der Menschen an einen Wandel untergraben und eine der am stärksten politisierten und radikalisierten Gesellschaften in Europa abgestumpft und desillusioniert zurückgelassen. Bis heute ist die Wahlbeteiligung nicht auf das Niveau von vor dem Referendum zurückgekehrt, und die politische Debatte wird von Parteien beherrscht, die die Unterwerfung Griechenlands akzeptiert haben, während Parteien wie MERA25, die noch immer eine Lösung gegen die Kolonialisierung des Landes suchen, bisher auf politische Randgruppen beschränkt sind.
Der Kampf geht weiter
Die Aufgabe von MERA25 in Griechenland besteht darin, die Menschen, die 2015 mit “NEIN” (OXI) gestimmt haben, wieder zu mobilisieren. Diejenigen, die allen Widrigkeiten zum Trotz entschlossen für ein besseres Griechenland in einer besseren EU eingetreten sind.
Es ist schwer zu vermitteln: Die Menschen fühlen sich verraten und hoffnungslos. Es ist ein Kampf, der nur durch Geduld und den ständigen Beweis gewonnen werden kann, dass unsere Partei den Menschen und der Demokratie treu ist und gleichzeitig glaubwürdige Lösungen für die vielen existenziellen Probleme eines Landes hat, das sich seit über einem Jahrzehnt in der Krise befindet. In dem Maße, wie die Lebenshaltungskosten in die Höhe schnellen und die europäische Wirtschaft durch die steigenden Energiepreise und die Inflation destabilisiert wird, werden wir erneut in eine Phase eintreten, in der die radikalen, aber realistischen Lösungen von MERA25 und DiEM25 eine immer größere Anziehungskraft haben werden.
In ganz Europa zieht DiEM25 diejenigen an, die erkannt haben, dass das Vorgehen der EU im Jahr 2015 bewiesen hat, dass sie bereit ist, alles zu tun, um den Status quo zu erhalten und die Interessen zu schützen, denen sie dient. Sie muss konfrontiert, bekämpft und zu Veränderungen gezwungen werden, und DiEM25 hat es sich zur Aufgabe gemacht, die gesamteuropäische Bewegung zu schaffen, die diesen Kampf anführt. Ein Kampf gegen Oligarch:innen und die Politiker:innen, die ihnen dienen.
Griechenland hat uns 2015 gezeigt, wie stark ein entschlossenes Volk sein kann, aber auch, wie gefährlich es ist, unsere Kämpfe denen anzuvertrauen, die sie nicht verdienen. MERA25 in Griechenland und Deutschland und DiEM25 in ganz Europa müssen daraus lernen und eine Organisation der politischen Vertretung aufbauen, der man vertrauen kann, durch starke Verbindungen zur Gesellschaft und Prozesse, die sicherstellen, dass die Partei und ihre Vertreter:innen der Politik, für die wir eintreten, treu bleiben.
Deutschlands Multilateralismus des Grauens
Fünf erschreckend aktuelle Beispiele für deutsche Diplomatie auf gefährlichen Abwegen und unsere Ziele für eine Diplomatie der internationalen Solidarität und Gerechtigkeit. Ein Statement des Koordinationsteams von MERA25 und DiEM25 in Deutschland.
Teil des politischen Nachkriegskonsens in unserem Land war schon immer – zumindest oberflächlich – die Verpflichtung zur Verständigung und zum Interessenausgleich auf weltpolitischer Ebene. Politiker:innen in Regierungsverantwortung werden nicht müde zu betonen, wie wichtig es ist, möglichst viele andere Staaten in Fragen der internationalen Politik einzubinden und mitzunehmen. Wenn Entscheidungen über die Bewältigung von Problemen, die viele betreffen, auch von vielen gemeinsam getroffen werden, trägt das zur Konfliktprävention bei und schafft die beste (weil breiteste) Basis für wirksame Lösungsansätze.
Dieses außenpolitische Prinzip, genannt Multilateralismus, wird aus guten Gründen, die in der deutschen Vergangenheit liegen, heutzutage von kaum einer politischen Kraft (abgesehen vom rechten Rand des Parteienspektrums) mehr in Frage gestellt, wenngleich das Bekenntnis zu und die ernsthafte Bemühung um Multilateralismus natürlich zwei Paar Schuhe sind. Bundesregierungen kommen und gehen, doch die Konstante bleibt: Verträge im Rahmen internationaler Bündnisse und Institutionen sind erstrebenswerter (und ergiebiger), als es unzählige bilaterale Abkommen zwischen Deutschland und weiteren Einzelstaaten jemals sein könnten. Soweit, so nachvollziehbar.
Wie wir, scheint auch die Ampelkoalition aus SPD, Grünen und FDP so zu denken. Allerdings hört es da dann schon wieder auf mit den ideologischen Gemeinsamkeiten in der Außenpolitik. Denn Multilateralismus ist kein Selbstzweck. Wie bei sämtlichen leitgebenden Prinzipien kommt es darauf an, was man im Zuge ihrer Anwendung daraus macht. Und die Ampel … nun ja. Deutschlands Positionen in multilateralen diplomatischen Verhandlungen sind unter der Regierung von Kanzler Olaf Scholz ebenso skandalös und verantwortungslos wie unter nominell konservativeren Vorgängerregierungen. Hier sind fünf Beispiele, die das eindringlich illustrieren:
Klimapolitik: Öffentliche Fördergelder für fossile Investitionen
Keine staatlichen Subventionen mehr für neue Projekte der fossilen Energiewirtschaft – das war das erklärte Ziel der Staats- und Regierungschefs der sieben großen Industrieländer, die unter dem Banner der G7 vor wenigen Tagen zu ihrem jährlichen Gipfeltreffen zusammenkamen. Die aufgrund der deutschen Präsidentschaft diesmal im bayerischen Bergidyll von Schloss Elmau tagenden Spitzenpolitiker haben es sich dann aber doch anders überlegt, u.a. auf Drängen von Bundeskanzler Scholz, der etwa in Westafrika noch neue Gasvorkommen erschließen möchte – Langfristige Vorhaben, die an der momentanen Gasknappheit überhaupt nichts ändern, uns dafür wirtschaftlich aber weiter in die Abhängigkeit von fossilen Energieträgern bringen. Dazu passt auch die bisherige Weigerung der Bundesregierung, aus dem internationalen Energiecharta-Vertrag (ECT) auszusteigen, der fossile Investitionen weltweit begünstigt und dessen Neuverhandlung jüngst scheiterte. Die planetaren Ökosysteme werden unterdessen immer mehr beschädigt und die Lebensgrundlagen der menschlichen Zivilisation zerstört.
Wir setzen uns für einen sofortigen Stopp staatlicher Subventionen für fossile Projekte ein. Wir brauchen stattdessen einen Green New Deal, das heißt Investitionen für geteilten Wohlstand, eine erstklassige Infrastruktur und Klimaneutralität bis 2030.
Handelspolitik: Freie Bahn für freien Handel (und Schiedsgerichte)
Wie der ECT enthält auch das “Freihandelsabkommen” CETA zwischen der EU und Kanada problematische Klauseln zum Investitionsschutz, die z.B. die Etablierung eines ominösen Schiedsgerichts vorsehen, dass es Unternehmen erlauben würde, Staaten auf Schadensersatzzahlungen für vermeintlich entgangene Gewinne zu verklagen. Hinzu kommen ungeklärte Fragen zu Umweltstandards und Arbeitsschutzregelungen. Trotzdem möchte die Ampelkoalition das Abkommen jetzt vom Bundestag ratifizieren lassen. Dies würde, sobald die restlichen Vertragsparteien ihre Ratifikation ebenfalls abgeschlossen haben, an den transatlantischen Handelsbeziehungen kaum etwas vereinfachen, da seit 2017 durch das vorläufige Inkrafttreten von Teilen des Abkommens die meisten Handelsbeschränkungen ohnehin bereits abgebaut worden sind. Sehr wohl aber würde es den Investitionsschutz für den Privatsektor rechtlich verankern und damit eine Machtverschiebung von gewählten Gesetzgeber:innen hin zum freien Markt bedeuten. Um dieser Kritik zuvorzukommen, fordert die Ampel lediglich eine “Interpretationserklärung” für CETA. Dass sich auch erklärte Interpretationen noch unterschiedlich interpretieren lassen und darüber hinaus keine Rechtsverbindlichkeit besitzen, ist ihr wohl nicht aufgefallen.
Wir setzen uns für den Stopp von CETA ein und wollen undemokratische Investor-Staat-Schiedsgerichte aus allen internationalen Abkommen streichen.
Migrationspolitik: Rechtsstaatliche Grundsätze ade
Die vor Kurzem getroffenen Beschlüsse des EU-Minister:innenrats haben es in sich: Mit Unterstützung Deutschlands, vertreten durch SPD-Innenministerin Nancy Faeser, einigten sich die 27 Regierungen auf eine überarbeitete Version des Schengener Grenzkodex. Dieses rechtliche Rahmenwerk würde in seiner Neufassung die pauschale Schließung der europäischen Außen- oder Binnengrenzen in betroffenen Grenzabschnitten erlauben, sofern ein EU-Mitgliedsstaat eine “Instrumentalisierung von Migration” feststellt. Damit werden Praktiken wie die der polnischen Regierung an der polnisch-belarussischen Grenze legalisiert und das Recht auf ein ordentliches Asylverfahren faktisch ausgesetzt. Des Weiteren soll eine neue sogenannte Screening-Verordnung eine “Fiktion der Nichteinreise” etablieren, die es Geflüchteten zusätzlich erschwert, Asyl zu beantragen, und ihre Abschiebung erleichtert. Die endgültige Version dieser Regelungen hängt nun vom Ausgang interinstitutioneller Verhandlungen innerhalb der EU ab. Die Scholz-Regierung hat bewiesen, dass rechtsstaatliche Grundsätze für sie dabei nichts gelten.
Wir setzen uns für schnelle und faire Asylverfahren ohne Aushöhlung der Rechtsgarantien der Asylsuchenden ein. Die überarbeitete Version des Schengener Grenzkodexes lehnen wir ab.
Gesundheitspolitik: Private Profite über Menschenleben
Nach wie vor zirkuliert das SARS-Coronavirus-2 in immer neuen Varianten, erkranken und sterben jeden Tag Menschen an COVID-19, und nach wie vor blockiert die deutsche Bundesregierung in der Welthandelsorganisation (WTO) die Freigabe der Impfstoffpatente. Stattdessen unterbreiten die EU und die USA dem Rest der Welt lieber einen “Kompromissvorschlag”, der nur als absolut inadäquat, ja sogar kontraproduktiv bezeichnet werden kann. Bis heute sind weniger als 20% der Menschen in Ländern mit niedrigem Einkommen gegen COVID-19 geimpft. Ohne geistige Eigentumsrechte auf lebensrettende Impfstoffe und Medikamente könnten es schon viel mehr sein – und weniger Pharma-Milliardäre. Deutschland und andere westliche Staaten riskieren somit die mögliche Entstehung noch ansteckenderer Virusmutationen, die auch den Impffortschritt in der eigenen Bevölkerung zurücksetzen würden. Wenn selbst viele Mainstream-Ökonom:innen keine guten Argumente gegen eine Aussetzung und Reform des Patentschutzes finden, ist es höchste Zeit, dass die Bundesregierung ihren Widerstand aufgibt.
Wir setzen uns für ein Impfangebot für die gesamte Weltbevölkerung ein, um Leben zu schützen und weitere Mutationen des Coronavirus zu verhindern. Wir kämpfen deshalb für die Freigabe der Impfstoff-Patente und einen umfassenden Know-How-Transfer für alle Schritte der Herstellung.
Europapolitik: Mangelnder Einsatz für Vertragsreformen
Die Koalitionsvereinbarungen der Ampel sehen vor, dass sich Deutschland für die Einberufung eines EU-Konvents zur Änderung der Europäischen Verträge einsetzt. Das Europäische Parlament ist bereits vorgeprescht und hat Anfang Juni in einer Resolution einen eben solchen Konvent gefordert. Die perfekte Ausgangslage also für Olaf Scholz, sich im Kreis der europäischen Staats- und Regierungschefs dafür stark zu machen – sollte man meinen. Doch beim EU-Gipfel Ende Juni in Brüssel stand das Thema Vertragsänderungen nicht mal auf der Tagesordnung. Zwar erfordern solche Reformen letztlich Einstimmigkeit, doch schon mit einfacher Mehrheit im Europäischen Rat könnte der Reformprozess in Form eines Konvents angestoßen werden. Genau das scheint die Bundesregierung nun jedoch abzulehnen, entgegen den Bestimmungen ihres Koalitionsvertrags. Grünen-Außenministerin Annalena Baerbock befürwortet zur aktuellen Zeit keine Vertragsänderungen und möchte lieber von der Passerelle-Klausel Gebrauch machen, um die Handlungsfähigkeit der EU zu erhöhen. Das heißt, der Rat müsste einstimmig beschließen, in bestimmten Angelegenheiten nicht einstimmig zu beschließen. Inwiefern das praktikabel und einem Konvent überlegen sein soll, ist schwerlich zu verstehen. Wenn die EU Bestand haben will, braucht sie keine kleinen Reformschritte, sondern eine grundlegende Weiterentwicklung in Richtung eines demokratischen, souveränen Bundesstaats. Nichts Geringeres wird sie retten! Dass dies nicht einfach zu erreichen sein wird, liegt auf der Hand. Die Bundesregierung aber zeigt, dass sie nicht einmal bereit ist, den Versuch zu unternehmen.
Wir setzen uns für die Demokratisierung der EU ein und wollen gemeinsam mit allen Bürger:innen Europas eine Verfassung schreiben. Sie muss die bestehenden europäischen Verträge ersetzen und jegliche Regeln beseitigen, welche die Ungerechtigkeiten ermöglichen und unsere Zukunft zerstören.
Angesichts dieser unverantwortlichen Politik ist es wichtig, sich folgendes stets in Erinnerung zu rufen: Zur Haltung der Bundesregierung in den beschriebenen multilateralen Gesprächen gibt es konkrete Alternativen. Wir glauben, dass alle sozialen und wirtschaftlichen Bedingungen von Menschen gemacht sind und daher von Menschen verändert werden können. Dafür stehen wir ein. Das wollen wir nicht nur für dich tun – sondern mit dir! Denn Veränderung kommt niemals von oben. Machst du mit? Werde hier MERA25-Mitglied!
Die wahre Antwort auf unseren Bedarf an nachhaltiger Energie
Ob Wind, Sonne, Gas oder Kernkraft – Anreize für private Finanzierungen werden unser Problem mit dem Klimawandel nicht lösen. Die jüngste Aufregung um die EU-Nachhaltigkeitssiegel geht an der Sache vorbei. Wir brauchen mehr nachhaltige öffentliche Investitionen und weniger schädliche private Investitionen, um die Emissionen zu senken und eine wirklich nachhaltige Zukunft aufzubauen.
Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, die Treibhausgasemissionen bis 2030 um mindestens 55 Prozent zu senken und bis 2050 klimaneutral zu werden. Um diese Ziele zu erreichen, sind umfangreiche Investitionen in grüne Projekte und erneuerbare Energien erforderlich.
Die “EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen” soll dazu einen Beitrag leisten. Die Idee ist, dass eine klare Kennzeichnung, welche Projekte und Aktivitäten “nachhaltig” sind, zusammen mit regulatorischen Anreizen, private Finanzmittel in diese Richtung zu lenken, in ganz Europa eine “grüne Investitionswelle” auslösen wird. Die Investor:innen werden ihr Geld in erneuerbare Energien und nachhaltige Projekte stecken, Treibhausgasemissionen werden drastisch sinken und Europa wird seinen Teil dazu beigetragen haben, die Klimakatastrophe zu vermeiden.
Aus diesem Grund sorgt die jüngste Entscheidung der Europäischen Kommission, Kernenergie und fossiles Gas in ihre neue Liste nachhaltiger Investitionen aufzunehmen, für Bestürzung bei Umweltgruppen und Investor:innen gleichermaßen. Die Befürchtung ist, dass ein solches “grün gewaschenes” Etikett Gelder von erneuerbaren Energien wie Solar- und Windenergie abziehen und Verwirrung auf den Finanzmärkten stiften wird.
Die Hoffnung, dass der Markt uns zu Nachhaltigkeit führt
Zwar gibt es wichtige Debatten über die Vor- und Nachteile der verschiedenen potenziellen Energiequellen, die notwendig sind, um die Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad zu begrenzen. Aber die Konzentration darauf, welche Unternehmen von der EU ein grünes Häkchen erhalten, lenkt jedoch von wichtigeren Fragen ab.
Denn das eigentliche Problem der EU-Taxonomie für nachhaltige Investitionen besteht darin, dass sie Teil einer umfassenderen EU-Strategie und einer vorherrschenden Weltanschauung ist der zufolge die Lösung des Klimawandels davon abhängt, ob es gelingt, die private Finanzwelt durch eine Reihe von Signalen, Subventionen, Anreizen und Anstößen dazu zu bringen, das Richtige zu tun.
In einer kapitalistischen Wirtschaft folgt das Geld dem Weg des geringsten Widerstands, und die Finanzmittel fließen dorthin, wo am leichtesten die größten Gewinne erzielt werden können. Dies geschieht ohne Rücksicht auf den Nutzen für die Gesellschaft und ohne Rücksicht auf mögliche Schäden.
Genau das ist der Grund, warum wir überhaupt mit dem Klimawandel und der Umweltzerstörung konfrontiert sind. Im extraktiven Kapitalismus werden unsere gemeinsam genutzten natürlichen Ressourcen zum Zwecke der persönlichen Bereicherung privatisiert. Während die Gewinne aus der kapitalistischen Ausbeutung dieser Ressourcen an Einzelpersonen fließen, werden die Kosten für die daraus resultierende Umweltverschmutzung, den Verlust von Biodiversität und der globalen Erwärmung auf Gemeinden und Staat übertragen.
Die Tatsache, dass sich “nachhaltige Investitionen” von allen anderen Finanzaktivitäten unterscheiden, ist ein Eingeständnis dessen, dass der Kapitalismus der freien Marktwirtschaft und das individuelle Profitstreben zu keinen positiven Ergebnissen für die Gesellschaft führen.
Somit beruht diese Taxonomie auf einem Widerspruch. Ihre Existenz ist der Beweis dafür, dass die kapitalistischen Finanzmärkte nicht dem Nutzen der Gesellschaft dienen, sondern allzu häufig das Gegenteil bewirken. Dennoch ist sie in eine Ideologie eingebettet und daher von der dieser Ideologie zugrunde liegenden Überzeugung abhängig, dass wir uns auf die kapitalistischen Finanzmärkte verlassen sollten, um die nachhaltige Zukunft aufzubauen, die wir brauchen, um uns vor dem Klimawandel zu bewahren.
Grünes Wachstum: Der Klimawandel als “Geschäftschance”
Die Idee, dass kapitalistische freie Märkte uns vor der Umweltzerstörung bewahren könnten, kam in den 1990er Jahren auf und hat sich seitdem in dem oft wiederholten Slogan des “grünen Wachstums” verfestigt. Der Schutz der Umwelt wäre nicht nur nicht schlecht für die Wirtschaft, sondern böte neue Chancen zur Gewinnsteigerung.
Die weit verbreitete Akzeptanz dieses Ansatzes in den Regierungen wurde durch eine, die Grenzen zwischen Politiker:innen und dem Privatsektor verwischende, Drehtürpolitik angetrieben, sowie durch den Einfluss von Industrielobbyist:innen und politischen Spenden von Unternehmen sowie dem dogmatischen Streben nach BIP-Wachstum als ultimativem Wirtschaftsziel.
Das Konzept des “grünen Wachstums” impliziert den Gedanken, dass der Kapitalismus den Klimawandel durch neue nachhaltige Geschäftsmöglichkeiten eigenständig lösen kann. Die Rolle der Regierungen sollte sich dagegen darauf beschränken, dies mit so wenig Einmischung wie möglich zu gewährleisten. Das Zuckerbrot sollte also immer der Peitsche vorgezogen werden.
Die EU-Nachhaltigkeitstaxonomie ist eine von Zuckerbrot und Peitsche. Wenn Unternehmen nachweisen können, dass ihre Aktivitäten unter eines der grünen Gütesiegel fallen, können sie zur Finanzierung ihrer Projekte auf den wachsenden Pool von Mitteln zugreifen, derfür “nachhaltige Investitionen” vorgesehen ist., Außerdem erhalten sie Pluspunkte dafür, laut EU offiziell “nachhaltig” zu sein.
Abstufungen von braun bis grün
Trotz des Lärms, der um nachhaltige Investitionen gemacht wird, überwiegen noch immer die schmutzigen Investitionen. Im Jahr 2018 flossen von den 1,8 Billionen Dollar, die weltweit in alle Bereiche des Energiesektors investiert wurden, nur rund 300 Milliarden Dollar in erneuerbare Energien. Ein Großteil des Rests floss in fossile Brennstoffe, mit denen sich immer noch größere Gewinne erzielen lassen.
Die EU-Taxonomie mag zwar einen Einfluss auf einen Teil des Privatsektors haben, der sich um eine nachhaltigere Ausrichtung seiner Tätigkeit bemüht. Aber es gibt immer noch riesige Mengen an Wirtschaftsaktivitäten, die nicht nachhaltig sind und die auch gar nicht die Absicht haben, nachhaltiger zu werden.In vielen Fällen schädigen diese aktiv die Umwelt und tragen dadurch zur globalen Erwärmung bei.
Um eine ernsthafte Wirkung auf die Verringerung der Kohlenstoffverschmutzung und die Förderung von Investitionen in nachhaltige Aktivitäten zu erzielen, muss die Taxonomie nicht nur feststellen, welche Aktivitäten umweltfreundlich sind, sondern eine generelle Einteilung aller Aktivitäten in Kategorien von besonders nachhaltig bis besonders schädlich vornehmen. Der Entwurf von DiEM25 für eine gerechte europäische Transformation, der Green New Deal für Europa, enthält einen alternativen Vorschlag, wie eine solche Taxonomie aussehen könnte:
Erstens muss die Taxonomie umweltschädliche Aktivitäten identifizieren und sicherstellen, dass diese unmittelbar zu negativen finanziellen Auswirkungen für diejenigen Unternehmen führen, die solche Aktivitäten betreiben.
Zweitens muss die Taxonomie die Klima- und Umweltauswirkungen von Unternehmenstätigkeiten ganzheitlicher betrachten; diejenigen, die zum Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft beitragen, sollten nicht als positiv bewertet werden, wenn sie Klima- oder Umwelt auf andere Weise schädigen.
Drittens muss von einem binären Modell abgewichen werden, bei dem die Taxonomie lediglich auf eine ganz bestimmte Tätigkeit oder aber gar nicht zutrifft. Stattdessen müssen verschiedene Grade von Nachhaltigkeit und Schädlichkeit ermittelt werden.
Im Papier zum Green New Deal für Europa heißt es dazu: “Dadurch wird sichergestellt, dass die Risiken und Externalitäten von Investitionen in nicht-erneuerbare Energien besser berücksichtigt werden, was auch die akkurate langfristige Preisgestaltung von Vermögenswerten aus dem Bereich der fossilen Brennstoffe verbessern kann. Das kann außerdem ihren Marktwert drastisch senken und den Weg für eine geordnete Abwicklung von Unternehmen aus dem Bereich der fossilen Brennstoffe ebnen.”
Was der Green New Deal für Europa von DiEM25 beinhaltet und die EU-Taxonomie nicht berücksichtigt, ist, dass keine noch so großen Anreize oder Signale die Unternehmen davon abhalten werden, die Atmosphäre zu verschmutzen, solange die wahren Kosten der Umweltverschmutzung nicht internalisiert werden und sich somit auf die Wirtschaftlichkeit auswirken.
Öffentliche Investitionen und öffentliches Eigentum
Die enormen Investitionen, die erforderlich sind, um Technologien für erneuerbare Energien und Energieeffizienz in großem Maßstab einzuführen, unsere Wirtschaft umzugestalten und eine nachhaltige Entwicklung herbeizuführen, werden nicht durch Anreize für Unternehmen entstehen.
Öffentliche, nicht aber private Finanzierung, ist am besten in der Lage, in Forschung und Entwicklung sowie in langfristige nachhaltige Infrastrukturen zu investieren und diese Investitionen somit auf einen gerechten Übergang auszurichten, der nicht nur Gewinne, sondern auch soziale Erträge bringt.
Auch muss Energie als ein öffentliches Gut und ein Grundrecht neu konzipiert werden. Die Energie- und Strominfrastruktur muss aus dem Monopolbesitz des privaten Profits herausgelöst und neue verstaatlichte und es müssen demokratische Eigentumsmodelle entwickelt werden.
Die politische Plattform von DiEM25 skizziert einen Plan für ein solches Programm grüner und gesellschaftlicher Vorhaben, das durch Anleihen finanziert wird, die von Europas staatlichen Banken ausgegeben und von der Europäischen Investitionsbank geleitet werden.
Der Green New Deal für Europa betont: “indem er die Rolle öffentlicher Finanzierung massiv ausweitet, stellt er die risikoreichen, kurzfristigen, spekulativen Aktivitäten der globalen Finanzwirtschaft in Frage — und richtet gleichzeitig die Debatte auf das Streben nach Gemeinwohl, ökologischer Nachhaltigkeit und wirtschaftlicher Gerechtigkeit neu aus.”
Wir dürfen uns nicht darauf verlassen, dass uns eben jenes System des Finanzkapitalismus, welches die Umweltkrise verursacht hat, aus derselben wieder herausführen wird.
Und wir müssen von der Europäischen Union mehr verlangen als grüne Labels und Anstöße.
Don’t Paint It Green
DiEM25 hat die Kampagne “Don’t Paint It Green” gestartet, die sich gegen die Greenwashing-Taktik wendet, Atomenergie und Gas als “nachhaltig” zu bezeichnen.
Bitte helfen Sie uns beim Aufbau dieser Kampagne, indem Sie sich an unseren Aktionen beteiligen und, wenn Sie können, spenden Sie.
Erik Edman: Assange-Entscheidung ist eine Bedrohung für die Pressefreiheit weltweit
Der politische Direktor von DiEM25 sprach mit der griechischen Tageszeitung Ethnos über die Entscheidung zur Auslieferung von Assange und deren weitere Auswirkungen.
Die schockierende Entscheidung der britischen Regierung, Julian Assange an die Vereinigten Staaten auszuliefern, stellt nach Ansicht des politischen Direktors von DiEM25, Erik Edman, eine Bedrohung für die Pressefreiheit insgesamt dar.
In einem Interview mit der griechischen Zeitung Ethnos fasste Erik Edman seine Gefühle über die jüngste Entscheidung zusammen, die er als “das letzte Kapitel eines langjährigen Komplotts” bezeichnete.
Dennoch wird die unmenschliche Entscheidung der britischen Innenministerin Priti Patel nicht kampflos akzeptiert werden. Erik bekräftigte, dass es eine Reihe von Aktionen der Zivilgesellschaft geben wird, die auf das ultimative Ziel der Freilassung von Assange hinarbeiten.
Das letzte Kapitel eines jahrzehntelangen Komplotts
“Dies ist im Grunde das jüngste Kapitel einer Geschichte, die nicht erst mit der Inhaftierung von Julian Assange in Großbritannien begann, sondern schon lange vorher, als er in der ecuadorianischen Botschaft in London Zuflucht suchte”, so Erik gegenüber Ethnos.
“Es geht also mehr als ein Jahrzehnt zurück. Im Kern handelt es sich um ein großes Komplott und einen Rufmordversuch – wenn man auch den Vorwurf der angeblichen Vergewaltigung von Frauen in Schweden berücksichtigt, der nach seiner Inhaftierung fallen gelassen wurde – mit dem Ziel, ihn in ein Guantanamo-ähnliches Gefängnis in den USA zu schicken.”
Mit Blick auf das jüngste Urteil stellt er fest: “Es kommt nicht überraschend, aber es ist eine Tragödie, weil nicht Assange es ist, der wirklich verfolgt wird, sondern letztlich die Pressefreiheit, insbesondere zu einer Zeit, in der die russischen Verbrechen, die wir in der Ukraine sehen, jeden Tag verurteilt werden, und zwar von den USA und ihren NATO-Verbündeten, während zur gleichen Zeit der Mann verfolgt wird, der ähnliche Verbrechen der USA und ihrer Verbündeten im Irak und in Afghanistan aufgedeckt hat. Hier herrscht also eine erschreckende Heuchelei, und das in einer sehr gefährlichen Zeit”.
Die Hoffnung ist noch nicht verloren
Erik glaubt jedoch, dass trotz der enttäuschenden Entscheidung noch nicht alle Hoffnung verloren ist, da die Zivilgesellschaft noch immer eine wichtige Rolle bei der Wiederherstellung der Gerechtigkeit spielen kann.
“Das Anwaltsteam von Assange wird sich bemühen, die Entscheidung der Innenministerin zu kippen, obwohl die ersten Anzeichen, die wir haben, nicht positiv sind”, sagte er.
“Aber letztendlich waren sie es nie, denn diese Vorgehensweise war vorherbestimmt.
“Was nachweislich Wirkung zeigt, sind Bewegungen und Kampagnen der Zivilgesellschaft in ganz Europa und der Welt, und deshalb organisieren wir derzeit auch einen Massenversand von Briefen von Bürger:innen an Premierminister Boris Johnson.
“Das heißt, wir geben den Menschen weltweit die Möglichkeit, zu fordern, dass Julian Assange nicht an die USA ausgeliefert wird, und damit fordern wir das Vereinigte Königreich auf, sich für die Meinungsfreiheit einzusetzen, nicht nur für die Brit:innen, sondern für alle, denn dieser Fall und die Art und Weise, wie er gehandhabt wurde, hat weltweit große Auswirkungen, sowohl für Journalist:innen als auch für alle demokratischen Bürger:innen.”
Stellungnahme zur Entscheidung der britischen Regierung, die Auslieferung von Julian Assange an die USA zu genehmigen
Die Bedeutung des Präzedenzfalls, den die britische Innenministerin Priti Patel heute mit der Genehmigung der Auslieferung von Julian Assange an die Vereinigten Staaten geschaffen hat, kann nicht in Worte gefasst werden. Dies ist sowohl eine Verletzung von Julians Menschenrechten als auch ein Angriff auf die Pressefreiheit, die Meinungsfreiheit und letztlich die Demokratie selbst.
Nach drei Jahren im Londoner Belmarsh-Gefängnis, in denen sich sein Gesundheitszustand erheblich verschlechtert hat, drohen Julian nun bis zu 175 Jahre hinter Gittern in den USA – ein Exempel für alle, die es wagen, die Verbrechen der amerikanischen Regierung aufzudecken, wie er es mutig getan hat.
Wir sind schockiert, aber nicht besiegt. Selbst wenn der britische High Court die Entscheidung von Patel bestätigt, werden DiEM25, die Progressive Internationale und alle anderen, die für Gerechtigkeit und Demokratie eintreten, den Kampf um Assanges Leben auf amerikanischen Boden tragen. Wir werden Aktivist:innen, Journalist:innen, Politiker:innen mit Gewissen und zivilgesellschaftliche Gruppen auffordern, den Druck auf die US-Regierung und das Justizsystem zu erhöhen.
Unsere Forderung bleibt dieselbe wie immer: Free. Julian. Assange.
Hier könnt ihr Boris Johnson schreiben
Eine Seite wählen: Wie man in polarisierten Zeiten Stellung bezieht
Verdammt, wenn du es tust, verdammt, wenn du es lässt. Mehran Khalili erörtert die fast unmögliche Aufgabe, es allen recht zu machen, wenn es um große globale Themen geht.
Kurz nachdem Russland in die Ukraine einmarschiert war, veröffentlichte DiEM25 seine Position zu diesem Konflikt. Die Zwischenüberschrift lautete: “Stoppt Putins Invasion. Stoppt die Eskalation durch die NATO. Frieden durch eine völkerverbindende Diplomatie!”
Oberflächlich betrachtet war dies ein wenig kontroverser Standpunkt: Beendet den verdammten Krieg, arbeitet für den Frieden. Ich bin ein Berater für DiEM25, und es leuchtete mir ein.
Die Reaktion auf diese Erklärung war jedoch überraschend. Viele Menschen waren der Meinung, dass es sich nicht um eine vollständige Verurteilung der Handlungen von Wladimir Putin handelte. Und sie waren verärgert. Einige Mitglieder und Partner:innen verließen sogar angewidert die Bewegung.
Ein paar Tage später veranstaltete ich mit DiEM25 eine Debatte über die Ukraine. Wir hörten Ukraine-Expert:innen, Aktivist:innen aus Moskau und Kiew und eine Reihe von Kommentator:innen.
Die Debatte war wertvoll, und ich habe viel gelernt. Aber obwohl sie im Allgemeinen gut aufgenommen wurde, ging ein Teil der Reaktionen in die andere Richtung. Warum geben wir nicht dem Westen die Schuld, fragten die Kommentator:innen, und richten unseren Zorn auf die Expansionspolitik der NATO, die uns in diesen Krieg geführt hat?
OK, wir können nicht jede:n überzeugen – oder es jede:m recht machen. Und vielleicht hätte ich in diesen Fällen gar nicht auf die Kommentare eingehen sollen. Aber die Reaktionen zeigen auch noch etwas anderes, das es wert ist, näher betrachtet zu werden.
In wessen Team bist Du?
Der Mensch hat ein angeborenes Bedürfnis, sich in jeder Auseinandersetzung für eine Seite zu entscheiden. Und das gilt besonders in Kriegszeiten.
Wenn ein Konflikt ausbricht, sollten unsere ersten Gedanken natürlich bei den Opfern sein. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts (Anm. des Übersetzers: 10.03.2022) wurden in der Ukraine hunderte von Zivilist:innen getötet, darunter 19 Kinder.
Aber für den Rest von uns, die wir – vorerst – das Glück haben, nur Zuschauer:innen zu sein, ist unsere Welt in Ungewissheit gestürzt worden. Im Gegensatz zu früheren Kriegen erleben wir heute die Auswirkungen organisierten Tötens in Aktion, vermittelt in Echtzeit und ungefiltert über Smartphones und soziale Medien. Wir versuchen, zu verstehen. Und ein wichtiger Teil dessen besteht darin, zu entscheiden, wer falsch und wer richtig liegt.
Unsere Voreingenommenheit läuft aus dem Ruder
Doch schnell kommen unsere Vorurteile ins Spiel. Ich werde mich selbst als Beispiel nehmen.
Wie viele andere verfolgte ich die Lage in der Ukraine nicht besonders aufmerksam, bis letzte Woche mit der Invasion alles eskalierte. Freunde und Familienangehörige fragten mich, was los sei und wessen Schuld das alles sei. Und ich geriet in Erklärungsnöte.
Krieg ist eine Katastrophe. Putin war hier der Aggressor, der die Menschen in der Ukraine brutal misshandelt und ermordet hat. Er muss vorbehaltlos verurteilt werden. Gleichzeitig war der langsame Vorstoß des Westens zur Einkreisung Russlands durch die NATO eine Provokation. Es war ein kompliziertes, tragisches Chaos.
Also habe ich die Nachrichtenquellen durchforstet und so viel gelesen, wie ich konnte. Und dabei fiel mir etwas Interessantes auf: Ich suchte nach Berichten, die dem US-Imperialismus die Schuld gaben.
Und warum? Unsere persönliche Erfahrung spielt hier eine größere Rolle, als wir glauben wollen. Das erste globale Ereignis, das mich wirklich politisiert hat, war der Irak-Krieg im Jahr 2003. Seitdem verfolge ich die US-amerikanische Innen- und Außenpolitik genau – und was ich dabei lernte, gefiel mir ganz und gar nicht. Da ich zur Hälfte Iraner bin, bin ich mit den Auswirkungen von US-Interventionen durchaus vertraut und weiß, wie sie ein Land in den Ruin treiben können.
Da ich nur die grundlegenden Fakten über die Ukraine kannte, wollte ich mich instinktiv dem Lager der Gegner:innen der US-Außenpolitik anschließen. Mein eigener Confirmation Bias in Aktion.
Viele westliche Beobachter:innen, die nach den ersten Bombenabwürfen ebenfalls händeringend nach Antworten auf den Konflikt suchten, müssen das Problem aus der anderen Richtung angegangen sein. Die englischsprachigen Medien, die von den USA betrieben werden, haben Russland seit jeher als Antagonisten dargestellt.
Doch als Trump auf den Plan trat und die Behauptung aufstellte, Russland habe die US-Wahlen gehackt, kochte diese Art der Berichterstattung förmlich über. Es entstand das Narrativ Russland = böse und Putin = Starker-Mann-Diktator (während die USA/Biden die entgegengesetzten Rollen einnahmen).
Und wenn dieser starke Mann einmarschiert, werden die von diesem Narrativ durchdrungenen Menschen dank des Confirmation Bias alles daran setzen, es zu bestätigen.
Es kommt darauf an, wann wir die Uhr starten
Dieses Video von Russell Brand bietet einen nützlichen Ansatz, die Debatte über die Ukraine anzugehen.
Brand wägt zwei Artikel gegeneinander ab. Der eine vertritt die Ansicht, dass Putin Hitler ist, der andere verurteilt ihn für die Invasion, beleuchtet aber auch die Rolle des Westens in diesem Konflikt in den letzten Jahrzehnten. (Diese Ansichten entsprechen in etwa den beiden Polen des akzeptierten westlichen Diskurses.)
Brand zitiert Phyllis Bennis, die über die Ukraine schreibt:
Die Lösung des Konflikts […] erfordert das Verständnis seiner Ursachen – was ganz davon abhängt, ab wann wir die Uhr laufen lassen.
Wenn wir im Februar 2022 beginnen, ist das Hauptproblem der Angriff Russlands auf die Ukraine. Wenn wir die Uhr jedoch 1997 beginnen, ist das Hauptproblem, dass Washington die NATO […] zur Osterweiterung drängt und damit jene Zusage bricht, welche die USA nach dem Kalten Krieg gegenüber Russland gemacht haben.
Was für ein fantastisches Mittel, um herauszufinden, wem man die Schuld zuweisen und wen man unterstützen kann. Wann beginnt die Uhr zu laufen? Und da Gewalt Gegengewalt, und Illiberalismus immer neuen Illiberalismus erzeugt… wer hat zuerst zugeschlagen?
Wir könnten dieses Schema auf jeden geopolitischen Konflikt der Vergangenheit oder Gegenwart anwenden. Denkt an Israel/Palästina, Nordirland, Zypern oder Taiwan.
Oder nehmt unsere aktuellen Kulturkriege. Sollten wir mit der Uhr beginnen, als die historischen Ungerechtigkeiten gegen eine bestimmte Randgruppe begannen? Oder zu dem Zeitpunkt, als sich die Mitglieder dieser Gruppe erhoben und es mit der Korrektur dieser Ungerechtigkeiten zu weit trieben, indem sie z. B. die Zensur von Ansichten forderten, die ihnen missfielen?
Nuancen überzeugen nicht
Aber die Welt ist komplex. Und obwohl es ein menschliches Bedürfnis ist, sich für eine Seite zu entscheiden, scheint es doch eine recht faule und unbefriedigende Art zu sein, moderne Konflikte zu betrachten. Warum können wir nicht zwei Gedankengänge gleichzeitig im Kopf haben und sagen, dass die Schuld für den heutigen Krieg in der Ukraine sowohl bei Putin als auch bei dem von der US-Außenpolitik geschaffenen Fundament liegt?
Losgelöst vom konkreten Geschehen ergibt das durchaus Sinn. Und es ist genau das, was DiEM25 mit seiner Position zur Ukraine erreichen wollte, auch wenn diese differenzierte Sichtweise beim Mainstream-Publikum heute nicht allzu gut ankommt.
Sechzig Prozent der Weltbevölkerung sind in den sozialen Medien aktiv und verbringen durchschnittlich zweieinhalb Stunden pro Tag mit ihnen. Wir leben in einer ADHS-Welt, in der es nur noch darum geht, schnellstmöglich zu reagieren, und in der Nachrichten in Form von Schlagzeilen, Thumbnails und Snippets von einer kollabierenden und verzweifelt nach Klicks heischenden Industrie geliefert werden. Nuance? Dafür hat niemand Zeit.
In einem solchen Umfeld erhalten einfache, mutige und authentisch vorgetragene Aussagen die meiste Aufmerksamkeit und Resonanz. Vor allem dann, wenn ein Krieg ausbricht und die Menschen wütend, verwirrt und verunsichert sind.
Hört auf zu versuchen, irgendetwas zu erklären, sagen sie. Hier sterben Menschen. Alles, was angebracht ist, das ist Solidarität mit den Opfern und Hass auf diejenigen, die die Bomben abgeworfen haben.
Und in diesem Moment ist das auch verständlich.
George W. Bush hat nach dem 11. September eine klare Linie gezogen.
Ein Rahmen, um das alles zu bewältigen
Wie können wir uns in einer solchen Landschaft zurechtfinden, wenn es unser Ziel ist, argumentativ zu überzeugen? Wie können wir der Macht entgegentreten und die ganze Geschichte erzählen, ohne uns ihre schmutzigen Methoden anzueignen und ihre Botschaft noch zu verstärken?
Es gibt keine einfache Antwort. Aber hier ist mein bisheriger Stand: ein Ansatz, den auch ihr bei Konflikten nutzen könnt, um klarer zu denken und effektiv zu kommunizieren.
(Denkt daran, dass wir uns auf das konzentrieren müssen, was wir beeinflussen können. Im Folgenden wird also davon ausgegangen, dass euer politischer Aktivismus eine Auseinandersetzung mit diesem Konflikt beinhaltet).
Verwendet probabilistisches Denken
Handelt nicht in absoluten Zahlen. Lest euch ein, findet heraus, wo genau ihr steht, und ordnet euren Überzeugungen Wahrscheinlichkeiten zu. Ihr könntet zum Beispiel annehmen, Putin sei zu 75 Prozent an diesem Krieg schuld und der Westen zu 25 Prozent. Oder andersherum. Und wie oben erwähnt, achtet darauf, zu welchem historischen Zeitpunkt ihr die Uhr in Gang setzt.
Das mag seltsam klingen. Es ist aber ein deutlich natürlicheres und explizites Spiegelbild dessen, wie das menschliche Denken tatsächlich verläuft. Und es wird euch dabei helfen, die Entwicklung und Veränderung eurer Überzeugungen zu verfolgen.
Denn auch ihr solltet euch entwickeln und verändern…
Überdenkt eure A-priori-Überzeugungen
Passt diese Wahrscheinlichkeiten auf Grundlage der beobachteten Beweislage an. NYT erklärt:
In der Fachsprache der Statistik sind “A-priori-Verteilungen” euer Vorwissen und eure Überzeugungen, die zwangsläufig unscharf und unsicher sind, bevor ihr Beweise seht. Beweise führen zu einer Auffrischung, und weitere Beweise führen zu einer weiteren Auffrischung, und so weiter und so fort. Dieser iterative Prozess führt zu größerer Gewissheit und zu einer kohärenten Ansammlung von Wissen.
Systeme sehen, nicht Menschen
Als ich darüber schrieb, was wir vom Public Shaming im Internet lernen können, kam ich zu dem Schluss, dass es immer eine effektive Strategie ist, sein Ziel zu personifizieren.
Es ist für Menschen einfacher, sich über eine andere Person zu ärgern als über eine Organisation, ein System oder eine Idee.
All die mit Spucke gespickten Editoriale darüber, dass Putin ein dämonischer Größenwahnsinniger ist, der Russland unbedingt wieder zu altem Ruhm verhelfen will, folgen diesem Modell.
Aber hier versucht ihr, einen Konflikt zu bewerten, ihn zu dekonstruieren und zu verstehen, wie ihr selbst Einfluss auf ihn nehmen könnt, anstatt andere von eurer Meinung zu überzeugen.
Macht es also umgekehrt. Schaut weniger auf den persönlichen Charakter des Aggressors und seine öffentlichen Äußerungen, sondern analysiert das System, die Maschinerie, die ihn an der Macht hält. In Putins Fall bedeutet das: die oligarchische Klasse, der er dient, die Wirtschaft und Kultur des heutigen Russlands und die Art und Weise, wie politische Entscheidungen getroffen werden. Ebenso wie Putins Aufstieg zur Macht (der weitgehend vom Westen unterstützt wurde).
Wählt eure Schlachten
Berücksichtigt bei euren Aussagen das Publikum und das Ziel der Diskussion. Wenn ihr überzeugen wollt, solltet ihr alles tun, um keine emotionale Reaktion bei euren Zuhörer:innen auszulösen, die sie dazu veranlasst, sich euch von vornherein zu widersetzen.
Timing ist alles. Unmittelbar nach dem Ausbruch eines Krieges oder eines rassistischen Angriffs oder in jedem anderen Moment, in dem der Schmerz noch frisch ist, gibt es nur eines zu tun. Den Aggressor verurteilen und die Opfer unterstützen.
Es wird eine Zeit und einen Ort für eure nuancierte, systembasierte und konstruktive Haltung geben. Aber wählt sie mit Bedacht, wenn ihr wollt, dass man euch zuhört.
Aktivist:innen aus dem Globalen Süden verbinden soziale Gerechtigkeit mit Klimagerechtigkeit
Millionen von Menschen auf der ganzen Welt sind auf die Straße gegangen, sowohl im globalen Süden als auch im globalen Norden, um auf die Klimakrise aufmerksam zu machen und Druck auf die politischen Entscheidungsträger:innen auszuüben. Am Weltumwelttag ist dies eine rechtzeitige Erinnerung an die Dringlichkeit der Angelegenheit und daran, dass mehr Unterstützung nötig ist.
Der jüngste IPCC-Bericht fordert, dass dringend Maßnahmen ergriffen werden. Die Wissenschaft ist in dieser Hinsicht sehr eindeutig: Wenn Politik und Praxis so weitergehen wie bisher, wird das organisierte gesellschaftliche Leben zusammenbrechen. Außerdem sind Klimakrise und soziale Ungerechtigkeit miteinander verbunden. Deshalb zielt die Initiative “Debt for Climate!” darauf ab, den Kampf für soziale Gerechtigkeit mit Klimaaktivismus zu verbinden, indem sie Aktivist:innen aus dem globalen Süden und dem globalen Norden zusammenbringt.
Debt for Climate!” bringt es auf den Punkt: “Die entwickelten Länder des globalen Nordens schulden den Ländern des globalen Südens eine ökologische Schuld”. Nicht nur, dass die Länder des globalen Nordens mit Abstand die höchsten historischen Treibhausgasemissionen aufweisen und 100 multinationale Konzerne, fast alle aus dem globalen Norden, heute für 71 Prozent der globalen Emissionen verantwortlich sind, sondern diese multinationalen Konzerne plündern auch weiterhin die natürlichen Ressourcen des globalen Südens. Gleichzeitig sind die Länder des Globalen Südens bei IWF und der Weltbank verschuldet, die ihnen Kredite gewähren, welche nicht nur ihre Schulden erhöhen, sondern sie auch zur “Umstrukturierung” ihrer Volkswirtschaften zwingen, was oft mit enormen Kosten für Mensch und Natur verbunden ist. Heute droht Argentinien die wirtschaftliche Strangulierung per Schulden durch einen neuen Kredit des IWF, was “Debt for Climate!” als “Schuldenfalle Diplomatie” bezeichnet. Und Argentinien ist nur ein Beispiel von vielen.
Schuldenbeziehungen beruhen meist auf Gewalt – unsichtbar, oft auch sichtbar. Wie der verstorbene David Graeber es ausdrückte: “Wenn die Geschichte etwas zeigt, dann, dass es keinen besseren Weg gibt, Beziehungen, die auf Gewalt beruhen, zu rechtfertigen, solche Beziehungen moralisch erscheinen zu lassen, als sie in der Sprache der Schulden umzuformulieren […].” Die Geschichte der Verschuldung zeigt uns, wie Schulden auf illegale Weise durchgesetzt wurden, ohne die Zustimmung der Bevölkerung des Schuldnerlandes, unter Verletzung der Kreditorganisationen selbst oder sogar mit der Waffe in der Hand. Die Initiative schließt mit den Worten: “Solange Länder in Schuldenfallen verstrickt sind, gibt es einfach keinen Raum und kein Geld, um einen gerechten Übergang zu finanzieren.”
Die Verschuldungssituation hat sich in den letzten Jahren noch weiter verschärft. Einem aktuellen Schuldenbericht zufolge sind 135 (von 148) Ländern in Asien, Afrika, Lateinamerika und Osteuropa hoch verschuldet. Oft sehen sich die Staaten gezwungen, ihre Auslandsschulden zu tilgen und gleichzeitig die öffentlichen Ausgaben zu kürzen, was existenziell sein kann, um Krisen wie die Pandemie oder die steigenden Lebensmittelkosten zu bewältigen.
“Wir aus Lateinamerika prangern die illegitimen Finanzschulden an, die unseren Ländern vom IWF, der Weltbank und dem Pariser Club auferlegt wurden. Wir werden kämpfen, um uns von diesem Finanzkolonialismus zu befreien, der uns dazu verdammen will, Territorien der Opfer und entbehrlicher Bevölkerung zu sein. Deshalb fordern wir die Anerkennung der ökologischen Schulden, die die Länder des Globalen Nordens bei den Ländern des Globalen Südens haben”, erklärt Juan Pablo Olsson, “Debt for Climate!”-Aktivist aus Argentinien und Lateinamerika-Koordinator von Progressive International. Es ist dringend notwendig, dass der Globale Norden endlich seine ökologische Schuld begleicht. Eine Vereinbarung sollte sein, wie die Initiative betont: Schuldenerlass und Verbleib der fossilen Brennstoffe im Boden. Ein Schuldenerlass im Sinne der Klimagerechtigkeit wird uns einen großen Schritt näherbringen, um die schlimmsten Szenarien zu vermeiden, die uns und vor allem den Menschen im Globalen Süden drohen, die als die am stärksten von der Klimakrise Betroffenen gelten. “Der Schuldenerlass für den afrikanischen Kontinent wird der größte Einzelkatalysator für eine neue Entwicklung für 1,3 Milliarden Afrikaner:innen sein. Nichts anderes kommt dem in Umfang und Wirkung nahe”, sagt die ‘Debt for Climate!’-Aktivistin Sunny Morgan aus Südafrika.
Die Krisen nehmen zu und scheinen überwältigend zu sein. Aber Krisen können auch Chancen sein. Widerstand kann funktionieren und Fortschritt ist möglich, auch wenn es oft bedeutet, zwei Schritte vor und einen zurück zu gehen. Es ist offensichtlich, dass wir nicht warten oder uns auf die “Großzügigkeit” der Führer:innen des globalen Nordens und insbesondere der G7-Länder verlassen können. Kämpfe wurden schon immer durch Aktivismus und Druck von der Straße, durch Zusammenarbeit und Vernetzung gewonnen. Wir als Progressive können uns von den Kämpfen des Globalen Südens für einen Schuldenerlass und für die endgültige Abschaffung (neo-)kolonialer Strukturen und Ausbeutungsmaßnahmen, die das organisierte soziale Leben auf der Erde bedrohen, inspirieren lassen und von ihnen lernen. Wir müssen die Gläubigerländer und die von ihnen dominierten internationalen Institutionen dazu zwingen, den verschuldeten Ländern die Schulden zu erlassen.
Die sich beschleunigende Klimakrise macht es erforderlich, dass wir auf die Straße gehen, uns über Grenzen hinweg verbinden und letztlich die fossile Brennstoffindustrie zerschlagen. Die Menschen des globalen Südens, von Argentinien bis Südafrika, von Asien bis Afrika, rufen die Menschen der Welt auf, sich der globalen Aktion anzuschließen, um Schuldenerlass und Klimagerechtigkeit zu fordern. Wie könnte diese Aktion aussehen? Der bevorstehende G7-Gipfel, der vom 26. bis 28. Juni in Elmau, Deutschland, stattfinden wird, ist eine passende Gelegenheit zur Mobilisierung. Die “Stop G7 Plattform”, der viele Sozial-, Klima- und Antikriegsaktivist:innen aus Deutschland angehören, ruft zur Teilnahme an der Demonstration auf, die am 25. Juni, unmittelbar vor dem Gipfel, in München stattfinden wird. Vor und während des Gipfels wird es zahlreiche Demonstrationen, Workshops und Gespräche geben. Auch Aktionen des zivilen Ungehorsams sind geplant.
Die Staaten der G7 regieren de facto die internationalen Finanzinstitutionen und können ihre Politik ändern, wenn wir sie dazu zwingen. Keine gewalttätige Institution und kein Schuldensystem hat ewig Bestand. Die Klima- und die Schuldenkrise zwingen uns, gemeinsam über diese Fragen nachzudenken und zu handeln. Der Kampf ist zu ernst und fordert uns als Progressive auf, uns mit den Gewerkschaften und sozialen Bewegungen zusammenzuschließen. Wir müssen uns den Stimmen für einen Schuldenerlass anschließen und ihnen Gehör verschaffen. Wir müssen uns mobilisieren, um den Druck auf Regierungen und politische Entscheidungsträger:innen zu erhöhen. Esteban Servat, ein argentinischer Aktivist und Förderer dieser Initiative, sagt: “Wenn wir genug Menschen sind, werden sie den Druck spüren.”
Wir müssen angesichts dieser Herausforderungen eine gerechtere Welt schaffen. Durch Organisierung, gemeinsame Anstrengungen und globale Solidarität können wir gewinnen. “Wir können uns zusammentun, wenn wir global gegen diese Kreditinstitute für Schulden für das Klima mobilisieren können”, fordert Esteban Servat, um einen gerechten Übergang zu ermöglichen. In einer Ära nach den fossilen Brennstoffen und nach der Verschuldung können sich die Länder des globalen Südens auf den Aufbau einer Infrastruktur für saubere Energie konzentrieren, so wie es auch in Europa und den Ländern des globalen Nordens eine Notwendigkeit ist. Viele Initiativen und Bewegungen auf der ganzen Welt fordern dies und legen vernünftige, notwendige und nachhaltige Programme vor, um dies zu erreichen. Fossile Brennstoffe müssen im Boden bleiben. DiEM25 setzt sich seit Jahren für einen Green New Deal ein, ebenso wie progressive Kräfte in den USA, in Großbritannien und anderswo.
Als DiEM25 rufen wir unsere europäischen Mitbürger:innen auf, sich den Protesten anzuschließen und diese von der Basis und dem Globalen Süden geführte Initiative zu unterstützen. Während sich die Staats- und Regierungschef:innen der G7-Länder in Elmau treffen, fordern wir alle sozialen Bewegungen und Klimabewegungen, die Gerechtigkeit von den führenden Klimaverschmutzern der Welt fordern, auf, “Debt for Climate!” zu unterstützen. Klicken Sie hier für weitere Informationen über die Initiative und Möglichkeiten, sie zu unterstützen.
Wir gegen den Handel mit Siedlungen – Unterschreibe jetzt die Petition
Wir fordern euch und unsere Mitglieder dazu auf, die Europäische Bürgerinitiative zu unterzeichnen, um ein Zeichen gegen den Handel mit Siedlungen zu setzen
Die EU behauptet zwar, gegen Annexionen zu sein, und betrachtet die illegalen Siedlungen in den besetzten Gebieten als Hindernis für den internationalen Frieden und die Stabilität, doch die tatsächliche Praxis sieht ganz anders aus.
Der Handel zwischen dem Europäischen Binnenmarkt und solchen Siedlungen ist nach wie vor erlaubt, was ihre Existenz nicht nur lebensfähig, sondern auch wirtschaftlich profitabel macht.
Angesichts des Krieges in der Ukraine und anderer tragischerweise weniger populärer Konflikte in Palästina, im Jemen, in Mali und auf der ganzen Welt ist es zwingend erforderlich, dass unsere Bewegung Europas heuchlerisches Erbe nicht unterstützt.
Wir unterstützen die Schaffung eines Gesetzes, das für die Beziehungen der EU zu besetzten Gebieten überall auf der Welt gilt und eine deutliche Botschaft in die Welt sendet, dass die EU territoriale Aggression nicht länger mit Handel und Profiten belohnen wird.
Die Kampagne “Stop Trade With Settlements” (Stoppt den Handel mit Siedlungen) wurde mit genau diesem Ziel initiiert, und wir bitten Dich dringend, diesem Link zu folgen, um die Europäische Bürgerinitiative zu unterzeichnen