Unser erstes Jahr als DiEM25 erzählt eine wundervolle Erfolgsgeschichte: über 40.0000 Menschen haben sich unserem pan-europäischen demokratischen Projekt angeschlossen. Aktivistinnen und Aktivisten bedienen ihre lokalen Räume kreativ und tragen DiEMs Ideen nach Außen. Gleichzeitig arbeiten ambitionierte Expert_innen und Mitglieder an der Weiterentwicklung der progressiven Agenda für Europa. In monatlichen, manchmal gar wöchentlichen Abständen finden öffentliche DiEM Veranstaltungen statt. DiEM wird immer sichtbarer. Wir lernen und wir wachsen und tragen mit unserem Einsatz dazu bei, dass wir unserem gemeinsamen Ziel, EUROPA ZU DEMOKRATISIEREN, jeden Tag ein Stück näher kommen.
Während wir unsere Vision gemeinsam verwirklichen und in immer breitere politische Arenen treten, müssen wir, die weiblichen Stimmen in DiEM25 hörbarer machen und uns dabei für ein Europa der Gleichberechtigung einsetzen.
In jüngster Zeit hat die Welt enorme Rückschläge im Bereich der Gender Politik erfahren. Die zahlreichen frauenverachtenden Aussagen und Skandale während Trumps Wahlkampf sind hierfür nur ein Beispiel. Polens Regierung möchte restriktiv gehandhabte Abtreibungen am liebsten ganz untersagen, was dank Tausender Demonstrant_innen, dem Schwarzen Protest, vorerst verhindert werden konnte. Die AfD möchte Gender Studies abschaffen und oft genug hören wir das Stichwort Genderwahnsinn.
Genderwahnsinn, also der Vorwurf, Verfechter_innen von gleichen Rechten und Möglichkeiten für Mann und Frau gingen zu weit, ist ein beliebtes Mittel die Menschen zu diskreditieren, die sich angesichts einer erschreckenden Behandlung von Frauen für eine offene und fortschrittliche Gesellschaft einsetzen. Das transportiert die Anschuldigung, sie gingen zu weit in ihren Forderungen, befassten sich mit haltlosen Dingen und lenkten von wichtigeren Themen ab.
Trumps Pussy-Grabbing Skandal, die Verschärfung von Abtreibungsgesetzen, 20 % weniger Lohn für Frauen[1] oder Erdogans systematische Verdrängung der Frau aus dem öffentlichen Leben scheinen solchen Kritikern nicht Beweis genug, dass diese Themen auch heute von höchster Bedeutung sind. Mehr als das noch, sehen wir in den Krisen Europas und in den etablierten wirtschaftlichen und sozialen Strukturen eine systematische Benachteiligung von Frauen und Männern in Bezug auf das Verhältnis von Familie und Beruf.
Anlässlich des internationalen Frauentags, dem 8. März 2017, möchten wir euch hier unsere Ideen zum Thema „Gender Equality in DiEM25“ präsentieren.
Wir sind Elisa, Jakob, und Sören. Wir sind aktive DiEM Mitglieder aus verschiedenen Städten Deutschlands. Im Dezember 2016 haben wir uns auf dem deutschlandweiten Netzwerktreffen in Berlin mit vielen Anderen zusammengeschlossen, mit dem Ziel das Thema „Gender Equality in DiEM“ anzugehen. Wir haben weitgehend über Email und gelegentliche Skype-Gespräche kommuniziert. Unsere Motivation diese Arbeitsgruppe zu gründen, basiert auf einer einfachen Beobachtung: sowohl in unseren DSCs als auch beim Netzwerktreffen partizipierten weit mehr männliche Mitglieder als weibliche. Woran mag das liegen? Kommuniziert DiEM eine maskuline Sprache nach Außen? Ist europäische Politik ein Thema, das tendenziell mehr Männer als Frauen anspricht?
Dieses Paper gliedert sich in zwei Teile. Der erste Teil reflektiert unsere Realität, und analysiert DiEMs externe und interne Kommunikation.. Im zweiten Teil möchten wir konstruktive Vorschläge darlegen, wie wir gemeinsam zu mehr „Gender Diversity“ in DiEM beitragen können. In diesem Zusammenhang kann das Paper für DSCs und für DiEM als Ganzes, eine Diskussionsgrundlage bieten, um das Thema weiterzudenken und es in unsere Arbeit als Democracy in Europe Movement einfließen zu lassen.
Politische und ökonomische Entscheidungen werden in männlich dominierten Sphären getroffen. Auch heute noch sind politische Parteien und Bewegungen ähnlich unausgewogen. Wer in Wirtschaft oder Forschung tätig ist, erlebt oft das Gleiche. Der Gender Pay Gap ist Realität. Aktuellen Forschungen zufolge, stellen junge Mädchen bereits sehr früh ihre Intelligenz in Frage. Dies erklären Forscher mit dem Einfluss des Gender-Stereotyps, Frauen seien weniger intelligent als Männer. Wenn die Selbstwahrnehmung junger Frauen durch diese Realität geprägt und reproduziert wird, stellt sich die Frage, wie ein Austreten aus dieser Form von Diskriminierung möglich werden kann.[2][3] Hier haben wir versucht, einen kurzen Abriss darüber zu geben, was wir damit meinen, wenn wir sagen: soziale Realität reflektiert patriarchale Strukturen.
Aber wie ist das bei DiEM?
Bevor wir uns dieser Frage nähern, möchten wir an dieser Stelle unterstreichen, dass wir jede essentialistische Auffassung von männlichen oder weiblichen Subjekten ablehnen.
Solche reduzieren den Menschen z.B. auf eine spezifische Funktion und Rolle in der Gesellschaft. Solche reduktionistische Rollenbilder schränken die freie Entfaltung des Menschen ein und stützen Hierarchien, wie die des Patriarchats als hegemoniales Konstrukt.
Frauen sind außerdem nicht in jeder sozialen Beziehung unterlegen. Visionen für ein gendergerechteres Europa implizieren unweigerlich auch neue Visionen für Maskulinität. In Wirklichkeit gibt es in unseren heutigen Gesellschaften mehr differenzierte weibliche Rollenbilder als männliche. Insbesondere bieten diese Alternativen zum hegemonialen Rollenbild des neoliberalen männlichen Brotverdieners. Wir möchten hier Unterschiede als Bereicherung für DiEM und für unsere Gesellschaften als eine Quelle für Kreativität und Inspiration begreifen.
In der Außendarstellung scheint DiEM eine maskuline Sprache zu sprechen. Auf einer bildlich-kommunikativen Ebene berichteten Frauen und Männer, dass das Bild von Yanis Varoufakis auf dem Motorrad auf der DiEM Website wenig Identifikationspotential bot, bei vielen sogar ablehnende Reaktionen hervorrief. Nun ist dies einerseits reichlich oberflächlich und andererseits nennt sich Yanis selbst einen Feministen. Was hierdurch klar wird, ist, dass auch DiEM Stereotypen ausgesetzt ist und wir zu diesen Stellung beziehen können um Menschen von DiEM25 zu überzeugen.
Als Srećko Horvat im Januar bei einer von Actvism Munich organisierten Veranstaltung zu „Freiheit und Demokratie“ sprach, war er einer von sechs männlichen Sprechern.
Wo sind die weiblichen Stimmen in unserer und für unsere Demokratie?
Die Leistung von DiEM25 bei Podiumsdiskussionen und öffentlichen Events ist übrigens löblich: Berlin, Rom, Wien, London, Aegina, wieder Rom, wieder London, und zuletzt Amsterdam verfügten über eine ausgeglichene Zahl an Männern und Frauen auf der Bühne.
Das ist mit Absicht so. Die Frauenquote im CC und VC ist in den Organisationsprinzipien festgeschrieben, sogar mit dem Satz “DiEM25 is a feminist movement”. Insofern ist DiEM25 sämtlichen deutschen Parteien und den meisten Bewegungen weit voraus.
Judith Meyer
In den DSCs jedoch, in denen wir aktiv sind, partizipieren weit mehr Männer als Frauen. Ein weibliches DiEM Mitglied erzählte, dass interessierte Frauen häufig kein zweites Mal zum DSC Treffen kamen. Womöglich wurden sie von einem männlich dominierten Klima abgeschreckt. Oder sind es die größeren Hintergründe, dass Frauen eben weniger Zeit für politisches Engagement haben, weil sie härter arbeiten müssen und eine Familie zu versorgen haben,? Eine andere DiEMerin erzählte, dass sie sich mit ein paar weiblichen Mitgliedern eine Sub-Gruppe gegründet hat, da sie hier ihre Ideen anders zum Tragen kommen lassen können. „Wenn ich in eine öffentliche Diskussion trete, frage ich mich zweimal ob ich eine Frage stelle oder nicht. Dann ist der Zug meist schon abgefahren und das Gespräch kreist um eine andere Thematik. Dieses Verhalten steht im Widerspruch zu meinem Selbstverständnis, aber es ist total real. Meine starken weiblichen Freundinnen erleben ähnliche Szenarien. ‚Ich kann nur anerkennen, dass diese Dinge echt sind und dass wir darüber sprechen müssen, vor allem bei DiEM,‘ sagt ein weiteres Mitglied.
Wie können wir damit umgehen? Beschreiben die geschilderten Beispiele besonders deutsche Erfahrungen oder geht es hier um etwas Generelleres?
Im Folgenden möchten wir ein Set von Lösungsansätzen präsentieren, die DiEM als Ganzes, sowie die DSCs betreffen können. Wir hängen alle dem Denken an, dass wir es nicht ausreicht, zu kritisieren. Wir sollten als DiEM bereits einen Schritt weiter denken und handeln.
- Inhalt: Wir glauben, dass es von fundamentaler Wichtigkeit ist, die Benachteiligung von Frauen in diversen Bereichen der Gesellschaft anzuerkennen (z.B. Wirtschaft, Politik, Arbeit). Diese Einsicht sollte uns bei unserer weiteren inhaltlichen Arbeit an Policy Papers, wie dem „New Deal“, mit beeinflussen.
- Externe Kommunikation: DiEM Kommunikation (Videos, Bilder, Artikel usw.) zeigen mehr Männer als Frauen. Wir schlagen vor Gender Equality aktiv zu visualisieren und DiEM somit mehr Identifikationspotential zu bieten. Konkrete Ideen kreisen sich um: DiEM Youtube Channel mit Erklärvideos, Porträts von Mitgliedern, „Europeans of DiEM“-Instagram Channel u.v.m.
- Interne Kommunikation: Nicht nur, um Gender Equality zu erhöhen, sondern auch um konstruktiven Dialog zu fördern, schlagen wir vor, uns auf einen losen Leitfaden für gute Gesprächskultur zu verständigen. Wir meinen, dass in den DSCs alle Mitglieder die Möglichkeit haben sollten, ihre Meinung zu teilen. Jeder Mensch verfügt dabei über eine andere Art des Ausdrucks. Es wäre das Ziel, die Stärken der Einzelnen effektiv einzubeziehen, um aus den Treffen mit einem motivierten Gefühl hinauszugehen.
- Über Gender Politik sprechen: wir schlagen vor, dass wir als DiEM Aktionen planen, auf feministische Gruppen zugehen und das Thema womöglich gemeinsam in die Gesellschaft tragen.
- Intersektionalität als weiteres wichtiges Diskussionsfeld, sprich die Überschneidung von verschiedenen Arten von Benachteiligung. Wer sich für die Gleichberechtigung von Mann und Frau einsetzt, muss auch mitdenken, dass diese bei weitem nicht die einzige Art von Benachteiligung ist.
- Pan-europäische Gender AG: einige Mitglieder DiEMs aus verschiedenen Ländern Europas haben bereits ihre Motivation ausgedrückt, an einer solchen AG teilzunehmen. So können wir die Vernetzung untereinander vorantreiben, neue Ideen entwickeln und umsetzen und stärker zusammen wachsen, als DiEM.
In diesem Paper haben wir versucht, uns dem Thema „Gender Equality in DiEM25“ zu nähern. Das Thema ist deshalb so wichtig, weil unsere Realität häufig von unserer Intention und Vision abweicht. Wenn wir eine demokratische Zukunft für Europa bauen wollen, für Männer, für Frauen, für alle, so glauben wir, dass wir Gender Equality aktiv denken und leben müssen. Bis dahin wollen wir weiterhin die Zeichen lesen, offen sein und Ideen aufbringen und vor Allem für gleiche Rechte einstehen, wo diese unter Beschuss stehen!
Wir bedanken uns bei Allen, die an diesem Paper in vielen Diskussionen mitgewirkt haben und würden uns riesig über Feedback freuen. Wenn ihr euch für das Thema interessiert, seid ihr herzlich willkommen, der europäischen Gender AG beizutreten ([email protected]). Die Arbeit zwischen uns hat wieder viel Neues hervorgebracht, vielleicht konnten wir euch hiermit auch motivieren, etwas Ähnliches zu tun; ein Thema zu bearbeiten, das euch am Herzen liegt und ihr als wichtig für DiEM erachtet.
Carpe DiEM
Titelbild: Tweet by CC member Agnieszka Wísniewska
[1] http://ec.europa.eu/eurostat/statistics-explained/index.php/Gender_pay_gap_statistics#Gender_pay_gap_levels
[2] http://science.sciencemag.org/content/355/6323/389.full
[3] https://www.welt.de/kmpkt/article161648728/Darum-glauben-Maedchen-dass-sie-weniger-intelligent-sind.html
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