Social-Media-Unternehmen sind nicht die Retter der Demokratie – sie könnten uns zu ihrem Untergang führen
Durch eine ironische Umkehr der Ereignisse mussten Social-Media-Unternehmen den Account von Donald Trump schließen – einem autoritären Präsidenten, dessen Aufstieg zur Macht und dessen Angriffe auf die Demokratie sie selbst ermöglicht hatten. Es waren die Social-Media-Unternehmen, die Trump nach den Krawallen in Washington DC gesperrt haben. Gleichzeitig sind sie einer der Hauptmotoren für die schädlichen Auswirkungen von Fake News und die zunehmende Spaltung unserer Gesellschaften. Wir erklären in diesem Artikel, warum wir deshalb die Macht von Big Tech Konzernen brechen sollten.
In den Wirren des Jahresanfangs 2021, zu einer Zeit, als die Welt noch immer von der schlimmsten Pandemie seit einem Jahrhundert heimgesucht wird und das US-Kapitol unter dem Beschuss eines Pro-Trump-Mobs stand, der darauf aus war, das Wahlergebnis zu kippen, unternahmen große Tech-Konzerne einen noch nie dagewesenen Schritt. Social-Media-Konzerne wie Facebook, Instagram und Twitter sperrten die Konten eines amtierenden US-Präsidenten.
Die existenzielle Bedrohung, die der Aufruhr in der Hauptstadt und Trumps betrügerische Anschuldigungen einer gestohlenen Wahl für den demokratischen Prozess darstellten, erforderte außergewöhnliche Maßnahmen. Trumps autoritäre Impulse hätten schon lange vorher unterdrückt werden müssen. Das bestreiten wir nicht. Die Frage ist jedoch, ob die Macht, diese außergewöhnlichen Maßnahmen zu beschließen und auszuführen, allein in den Händen der CEOs einiger Privatunternehmen liegen sollte.
Der Souverän – um den vom Politikwissenschaftler Carl Schmitt im letzten Jahrhundert geprägten Ausdruck zu verwenden – ist derjenige, der über den Ausnahmezustand entscheidet. Da die außergewöhnliche Entscheidung, Trumps Twitter- und Facebook-Account zu sperren, nicht von der Judikative oder Legislative getroffen wurde, sondern von privaten Unternehmen, macht sie das de facto zu souveränen Einheiten?
In einer weiteren bemerkenswerten, wenn auch weniger kommentierten Entscheidung, nur wenige Tage nach dem Angriff auf das Kapitol, weigerte sich Twitter, Trumps Follower automatisch auf Biden zu übertragen, wie sie es vier Jahre zuvor getan hatten, als Trump Obamas Account übernahm. Biden war gezwungen, mit null Followern neu anzufangen, ohne Erklärung von Twitter.
War dies eine Demonstration souveräner Macht? Wenn Big Tech diese Art von Einfluss auf einen scheidenden und einen neuen US-Präsidenten ausübt, kann man sich nur vorstellen, wozu sie in der Lage sind, wenn es um weniger mächtige souveräne Staaten auf der Welt geht. Oder um wehrlose Bürger*innen. Auf jeden Fall haben die Ereignisse Anfang 2021 diese enormen Machtunterschiede offengelegt.
Die Auflösung der von modernen Nationalstaaten erreichten Souveränität wirft uns zurück in eine moderne Form des technologischen Feudalismus. Während alle Augen auf die US-Wahlen gerichtet sind, ist die Demokratie auf der ganzen Welt durch die ausbeuterische, rücksichtslos profitorientierte und intransparente Arbeitsweise der großen Tech-Konzerne bedroht.
Mehr als ein Jahrzehnt der massenhaften Nutzung sozialer Medien, angetrieben von Algorithmen, die ausschließlich auf die Maximierung des Umsatzes abzielen, selbst wenn das bedeutet, unsere Ängste zu manipulieren und unsere bereits bestehenden Vorurteile zu verstärken, hat auch die öffentliche Debatte in unglaublicher Weise polarisiert und einen fruchtbaren Boden für die Verbreitung von unbewiesenen Behauptungen und lächerlichen Verschwörungstheorien geschaffen.
Große Tech-Konzerne haben sich in vielen Bereichen des Lebens unentbehrlich gemacht. In vielen Ländern ist Facebook mit dem Internet gleichzusetzen, da Facebook Zero den Zugang zu Facebook ohne Mobilfunkgebühren ermöglicht.
Es wäre unvorstellbar, eine politische Kampagne, geschweige denn ein öffentliches Amt, ohne die massive Nutzung sozialer Medien zu führen. Sie machen sich nun ebenso unentbehrlich bei der Kontrolle des daraus resultierenden Missbrauchs und üben eine nie dagewesene Macht der Zensur aus.
Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass Big Tech einen autoritären Präsidenten ausschalten muss, dessen Aufstieg zur Macht und Angriffe auf die Demokratie sie selbst ermöglicht hatten. Social-Media-Plattformen versuchen, sich selbst als das Heilmittel für die Krankheit der modernen Demokratie darzustellen, für die sie größtenteils verantwortlich sind, aber wir sollten ein Narrativ, das die quasi souveräne Macht von Big Tech als unvermeidlich ansieht, unbedingt ablehnen.
Während ihre Handlungen sie de facto zum Souverän machen, ist nicht der Inhalt, sondern die Größe der Konzerne das Hauptproblem.
Letztendlich glauben wir – DiEM25’s Spontanes Kollektiv für Technologische Souveränität – nicht, dass eine juristische Lösung (entweder durch einen intra- oder supranationalen Ansatz) machbar ist, da ein ganz neues Gerichtssystem für die Flut von Fällen etabliert werden müsste, wenn ein Posting heruntergenommen wird.
Eine praktikable Alternative muss also die Dezentralisierung der Macht sein, keine Monopole oder Oligopole einiger weniger sehr mächtiger Konzerne, damit Informationen und ihr Fluss nicht von einigen wenigen kontrolliert werden.
Verschiedene Plattformen existieren bereits und werden von Menschen betrieben und genutzt, die sich der digitalen Souveränität bewusst sind (und nicht von Aktionärsgewinnen getrieben werden), aber die Mehrheit der Menschen muss erst noch die Vormachtstellung von Big Tech in Frage stellen.
DiEM25 hat die Technologische Souveränität zu einer wichtigen Säule gemacht und Sie können hier alles darüber lesen.
Fangen Sie außerdem an, Alternativen zu den Big Tech Konzernen zu nutzen, einige bestehende Alternativen sind:
PeerTube als Alternative zu Youtube
Mastodon als Alternative zu Facebook
Matrix als Alternative zu WhatsApp
Mattermost als Alternative zu Slack
Foto von Tracy Le Blanc auf Pexels.
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