Sollten wir etwas gegen Lügen im Internet unternehmen?

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Fehlinformation, Desinformation, Propaganda, Betrug. Was auch immer sie bezwecken, sie laufen auf dasselbe hinaus: Lügen. Und da heute jede:r publizieren kann und ein Gerät in der Tasche hat, hat das Internet ihre Verbreitung beschleunigt – auf Warp-Geschwindigkeit.

COVID wird nicht durch 5G verbreitet. Unser Planet ist keine unendliche Scheibe. Es gab keinen Pädophilenring, der aus dem Keller einer Washingtoner Pizzeria heraus agierte.

Und auch wenn wir über einige dieser Verschwörungstheorien schmunzeln, können Online-Lügen auch schaden, wie das Massaker an den Rohingya in Myanmar auf tragische Weise gezeigt hat.

Die Reaktion des Establishments auf Menschen, die diese Ansichten teilen, besteht in der Regel darin, sie an den Pranger zu stellen, zu beschämen und wenn nötig, sie ganz zu canceln.

Und das funktioniert auch, nicht wahr?  So wird der Wilde Westen des Internets ein bisschen weniger wild.

Äh, nein

Es gibt mehrere Probleme mit diesem Bild.

Das Establishment ist selbst der schlimmste Übeltäter.

Die gefährlichsten Lügen kommen nicht von Verschwörungstheoretikern, sondern vom Establishment selbst. Es gab keine Massenvernichtungswaffen im Irak.

Der Afghanistankrieg war ein Desaster, auch wenn die Invasoren etwas anderes behaupteten.

Die Wirtschaftskrise in Griechenland entstand nicht, weil die Menschen dort faul und korrupt waren. Und die russische Regierung hat nicht mit Donald Trump konspiriert, um die US-Wahl 2016 für ihn zu gewinnen (eine weitgehend unwidersprochene Geschichte, die den Weg für einen weiteren Krieg in der Ukraine bahnt, während ich schreibe).

Oder nehmen wir die aktuelle Pandemie. Die Gesundheitsbehörden erklärten im März 2020, dass Masken unnötig seien – dann machten sie einen Rückzieher und gaben zu, dass sie die Masken zunächst für die Krankenhäuser zurückhalten wollten. Sie haben ihre Positionen zu den Themen Herdenimmunität und Nebenwirkungen wie Herzmuskelentzündung sowie zu Schulöffnungen und Schließungen geändert.

Und dann Joe Biden im Juli letzten Jahres, mit einer Äußerung dazu, ob Impfstoffe die Verbreitung von COVID verhindern:

Wenn Sie diese Impfungen haben, bekommen Sie kein COVID.“ Eine „Tatsache”, die schnell widerlegt wurde.

Vielleicht finden Sie, dass eine Regierung die Menschen im Falle einer Pandemie dazu drängen sollte, sich impfen zu lassen, zur Not unter Zuhilfenahme regelrechter Lügen.

(Ich nicht – ich denke, sie sollten uns immer auf Augenhöhe begegnen.) Und ja, Wissenschaft ist ein Prozess und Experten irren sich.

Aber stellen Sie sich vor, wie viele schädliche Verschwörungstheorien durch dieses Hin und Her Auftrieb erhalten. Jedes Mal, wenn Behörden beim Flunkern erwischt werden, wird das Vertrauen weiter erschüttert. Die Menschen stellen die sehr vernünftige Frage: Wenn sie mich in diesem Punkt angelogen haben, wann dann noch?

Die Anschuldigung, Lügen zu verbreiten, ist auch eine Waffe.

Es gibt starke Anreize für Menschen, Ansichten als “schädlich” zu bezeichnen und zu fordern, sie zum Schweigen zu bringen, wenn diese Ansichten nur ihren eigenen widersprechen. Und da wir heute alle Verleger sind, kann jeder diese Waffe einsetzen. Diese Überlegungen müssen wir immer mit einbeziehen, wenn wir die Glaubwürdigkeit einer Quelle beurteilen.

Diese Woche habe ich zwei Beispiele gesehen, die dies verdeutlichen. Eine von den etablierten Medien geführte Kampagne gegen die Substack-Plattform (die viele heterodoxe Journalisten angezogen hat) und eine gegen den weltweit beliebtesten Podcaster Joe Rogan sind beide in den Schlagzeilen. Substack und Rogan sind wichtige Stimmen, die die Orthodoxie des Establishments herausfordern. Und in beiden Fällen behaupten diese Kampagnen, dass Substacker und Rogan “Desinformation” verbreiten, indem sie konträre Ansichten auf COVID teilen.

Warum sollten die alten Medien dies tun? Wir könnten natürlich davon ausgehen, dass sie es in gutem Glauben tun. Und wir können nicht in die Köpfe der Menschen blicken.

Jedoch ist es wichtig, den Kontext zu berücksichtigen. Substack hat vielen Journalist:innen eine Heimat, ein Publikum und ein Einkommen verschafft. Vor allem für jene, die sich aus den herkömmlichen Medien geflüchtet haben, mit der Behauptung, ihre Ansichten würden unterdrückt oder zensiert. Und im Fall von Rogan sagt diese Grafik alles aus:

Die Geschäftsmodelle der traditionellen Medien sind durch Plattformen wie Facebook geschädigt worden und genießen kein Vertrauen mehr in der Öffentlichkeit. Sie befinden sich in einem Kampf um ihr Leben. Sie müssen relevant bleiben, und sie wollen ihren Gatekeeper-Status zurück. Es ist plausibel, dass sie, anstatt zu versuchen, innovativ zu sein, lieber die Konkurrenz ausschalten, indem sie ihr vorwerfen, online Schaden anzurichten.

Lügen sind nicht immer so gefährlich wie behauptet

Der wahrgenommene Schaden, der durch Lügen von “schlechten Akteur:innen” verursacht wird, ist oft übertrieben.

Die Vorstellung, dass eine bestimmte Lüge Schaden anrichten kann, scheint auf einer Annahme zu beruhen: dass die Menschen im Allgemeinen nicht zwischen Online-Fakten und Fiktion unterscheiden können und dazu verleitet werden, Unwahrheiten zu glauben. Meiner unwissenschaftlichen Meinung nach ist das Quatsch.

OK, in jeder Debatte gibt es Menschen an den Extremen mit pseudoreligiösen Überzeugungen, die Argumente ihrer Seite stets bevorzugen.  Diese werden sich nie überzeugen lassen.

Wir aber sollten uns auf das konzentrieren, was wir beeinflussen können, und das ist die große Mitte – diejenigen, die in viele Richtungen überzeugt werden könnten. Es stimmt, dass die Menschen sich heute in einem verschmutzten Informationsumfeld bewegen, mit fehlerhafter geistiger Maschinerie und Vorurteilen. Es ist schließlich der Wilde Westen.

Aber dennoch glaube ich, dass die Menschen keine Idioten sind und sich selbst eine Meinung bilden können. Dutzende von Millionen, und wahrscheinlich noch viel mehr, haben die Massenvernichtungswaffen-“Beweise” des Establishments durchschaut (auch wenn sie trotzdem zu Krieg und Besatzung führten). Und es fällt mir schwer, zu akzeptieren, dass Millionen von Menschen medizinische Ratschläge von einem der Gäste von Joe Rogan annehmen – vor allem, wenn er in der gleichen Sendung mit vielen Pro-Establishment-Stimmen debattiert hat.

Aber was ist mit den Fällen, in denen eine Fehlinformation oder Hassrede Schaden anrichten kann? Sicher, es gibt Fälle, in denen die Anstiftung zum Schaden so offensichtlich ist, dass es kaum Raum für Interpretationen gibt. Und in einigen dieser Fälle könnte es gerechtfertigt sein, diese Ansichten zu zensieren. Aber diese Entscheidung sollte nicht auf die leichte Schulter genommen werden.

Zensur ist ein stumpfes und unwirksames Instrument

Das Behelfsinstrument – die Zensur – erreicht selten ihr erklärtes Ziel. Weil das Verbot von Inhalten diese attraktiver macht. Aber auch, weil die Architektur des Internets ein Verbot von Ansichten in der Praxis verunmöglicht.

Und Zensoren werden immer hinterherlaufen. Mit der Weiterentwicklung von Technologien wie Deepfakes wird die Erschaffung von Lügen, die echt aussehen, immer einfacher. Warten Sie nur auf die nächste große Wahl, um das zu sehen.

Noch besorgniserregender ist jedoch folgende Frage: Wer entscheidet, welche Ansichten verboten werden sollen? Die Antwort lautet in der Regel: einige nicht gewählte Milliardäre aus dem Silicon Valley. Es ist legal, wenn der CEO von Twitter Politiker auf Twitter sperrt. Aber es ist weder ethisch richtig noch politisch klug.

Zensur erschafft Ungeheuer

Die Zensur des Establishments bringt unseren Diskurs gründlich durcheinander. Der Mensch entwickelt sich durch die freie Äußerung und den Zusammenprall von Ideen – insbesondere mit solchen, die uns nicht gefallen. Der wissenschaftliche Prozess ist davon abhängig.

Zensur bedroht den Markt der Ideen und unterdrückt die Debatten, die geführt werden müssen – insbesondere in einer Pandemie. Zensur engt die Bandbreite dessen ein, was geäußert werden darf, und zwingt dazu, sich selbst zu zensieren, aus Angst, zum Dissidenten zu werden. Sie verschärft die Spaltung und schafft die Voraussetzungen dafür, dass Demagogen die Macht an sich reißen können.

So sieht das Modell des strengen Vaters in der Praxis aus. Das Establishment fürchtet den Kontrollverlust und verlangt Konformität um jeden Preis. Während es wieder und wieder und wieder seine eigenen Lügen verbreitet, geht das Ganze nach hinten los.

Was zum Teufel sollen wir also tun?

Aktivist:innen sind kompetente Medienkonsument:innen und wir stecken mitten in diesem Chaos. Hier sind einige Vorschläge, wie man das durchstehen kann:

Versuchen Sie das, ganze Bild zu sehen.

Ein Großteil des Internets ist zu einem Feuersturm geworden, aus konkurrierenden Agendas, Stammeskriegen, Wut und Spaltung schürenden Plattformen und Leuten, die uns Scheiße verkaufen wollen. Seien Sie stets auf der Hut, wenn Sie sich in den Wilden Westen einloggen; Ihre Hand immer nahe am Halfter.

Bleiben Sie skeptisch, bleiben Sie geistig gesund.

Ganz gleich, ob Sie den Guardian oder eine obskure Facebook-Gruppe lesen, Sie sollten Ihre Lektüre durch Argumente der anderen Seite ausgleichen. Folgen Sie Leuten, mit denen Sie nicht übereinstimmen. Betrachten Sie Expert:innenmeinungen als Input, nicht als Antwort. Seien Sie offen und neugierig, wenn Sie Ihre Meinung ändern wollen.

Und umgehen Sie die Algorithmen von Twitter, indem Sie Apps wie Tweetbot verwenden. Schmeißen Sie andere Plattformen raus. (Vor allem Facebook ist sehr schwer zu überlisten.)

Spielen Sie besser, anstatt sich beim Schiedsrichter auszuheulen.

Sehen Sie jemanden Fehlinformationen oder Hassreden verbreiten? Wehren Sie sich gegen die Ansichten, nicht gegen die Person. Versuchen Sie nicht, eine Person zum Schweigen zu bringen, sondern begegnen Sie ihren Ideen mit einer eigenen Geschichte. Das ist die Essenz von Überzeugungsarbeit. Egal, ob Sie in einem Forum debattieren oder gegen eine koordinierte Medienkampagne des Establishments ankämpfen, wie wir es beim Omikron-Projekt getan haben.

(Es sei denn natürlich, Sie haben es mit einer direkten Aufforderung zur Gewalt zu tun. Aber legen Sie die Messlatte dafür hoch, denn sie ist heutzutage sehr niedrig.)

Fachen Sie den Feuersturm nicht an.

Kommentieren Sie, wenn Sie einen Lösungsvorschlag haben oder denken, dass Sie einen Beitrag zur Debatte leisten können. Kommentieren Sie einen Artikel nicht aufgrund der Überschrift oder unmittelbar nach dem Lesen. Lassen Sie sich Zeit, verdauen Sie den Artikel und kommentieren Sie ihn – wenn überhaupt – wenn Sie etwas haben, das einen Mehrwert für die Debatte darstellen kann.


Der Autor ist Berater des Koordinationskollektivs von DiEM25. Eine Version dieses Artikels erschien zuerst im Aktivisten-Newsletter Subvrt.

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Lasst die Menschen in Frieden

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Gemeinsames Statement des Vorstands von MERA25 in Deutschland und des deutschen Bundeskollektivs von DiEM25 zur Politik der Bundesregierung im Ukraine-Russland-Konflikt

Aufruf zur Verhandlung eines nachhaltigen Friedens und zur Vernetzung Europas und seiner Nachbarregionen im Rahmen einer Europäischen Grünen Energieunion für gemeinsamen Wohlstand. Der Schutz der Bevölkerung aller beteiligten Regionen und Länder ist dabei das wichtigste und übergreifende Ziel. 

Mit großer Sorge betrachten wir derzeit die sich zuspitzende Sicherheitslage an der Grenze zwischen Russland und der Ukraine. Der Aufmarsch zehntausender russischer Truppen im Grenzgebiet zum Nachbarland Ukraine ist für uns dabei ebenso wenig akzeptabel wie überraschend, und reiht sich ein in eine mehr als drei Jahrzehnte lange Serie diplomatischen und geopolitischen Versagens der in der NATO organisierten westlichen Staaten in ihrem Verhältnis zum postsowjetischen Russland. Bei der Auflösung der UdSSR hatte die US-Führung informell zugesichert, dass “die NATO sich keinen Zentimeter nach Osten bewegen würde”; die NATO schloss danach fast alle ehemaligen Ostblock-Länder in Mittel- und Osteuropa und auf dem Balkan ein und bestätigte damit die Befürchtungen Russlands.

Neben der selbstverständlichen Aufforderung an alle Konfliktparteien zur sofortigen militärischen und rhetorischen Deeskalation ist es uns ein dringendes Anliegen, auf die Rolle hinzuweisen, welche die Bundesrepublik Deutschland in der aktuellen Auseinandersetzung spielt und spielen könnte. Denn wenngleich die Bundesregierung um Kanzler Scholz und Außenministerin Baerbock zwar sichtlich bemüht scheint, eine Konfliktresolution mittels Gesprächen und Verhandlungen herbeizuführen, gehört zur Wahrheit, dass dieses Ziel an der Politik eben dieser Regierung (und ihrer Vorgänger) zu scheitern droht.

Wir meinen damit eine Politik, die auf bündnispolitischer Ebene – gewollt oder ungewollt – die globalen Grabenkämpfe des Kalten Krieges fortsetzt, und energiepolitisch gesehen die notwendige strategische Souveränität verspielt, um in den Grabenkämpfen zu bestehen. Während man nach der Auflösung des Ostblocks auch in Deutschland auf einem gegenüber Russland abgeschotteten Verteidigungsbündnis bestand, anstatt glaubwürdige Schritte hin zu einer euro-atlantischen Sicherheitsarchitektur unter Einbeziehung der Russischen Föderation zu unternehmen, verdoppelten sich seit 1990 bei gleich bleibendem Gesamtenergieverbrauch die deutschen Gasimporte. Etwa die Hälfte ist russisches Gas.

Die vom Westen geforderte und geförderte Turbo-Liberalisierung der russischen Wirtschaft und der anderer sowjetischer Nachfolgestaaten in den neunziger Jahren bot die perfekten Bedingungen für den Aufstieg der Oligarchie und die Zunahme von Ungleichheit und Autoritarismus. Ironischerweise sind es hierzulande oftmals dieselben Parteien und Akteure, die damals noch die Entwicklung Russlands lobten, die sich heute über Nationalismus und reaktionäre Großmachtfantasien in Teilen der russischen Bevölkerung wundern und die schärfsten Sanktionen fordern.

Über ein Drittel des Energiehungers der privaten Haushalte und der Industrie in Deutschland wird immer noch durch Erdgas gestillt. Deutschland ist achtgrößter Verbraucher und größter Importeur. Solange dieser Zustand anhält, ist die Bundesregierung erpressbar und außerstande, diplomatische Hebel zu bewegen, die in Osteuropa irgendeine friedensfördernde Wirkung hätten. Die Lösung kann allerdings nicht darin liegen, nur die Bezugsquelle des Energieträgers zu wechseln, also beispielsweise auf US-amerikanisches Fracking-Gas umzusteigen. Im Gegenteil: Die Lösung liegt in der schnellen Verringerung der Abhängigkeit von Gas und fossilen Brennstoffen generell!

Was aber macht die Bundesregierung? Anstatt das Abschalten von klimaschädlichem Gas vorzubereiten und dessen Einsatz durch den massiven Ausbau erneuerbarer Energien überflüssig zu machen, will sie bis 2045 sogar verstärkt auf Gas als “Brückentechnologie” setzen, die uns den Weg in die vermeintliche Klimaneutralität ebnen soll. Nicht zuletzt war es Olaf Scholz, der vor anderthalb Jahren (damals noch als Finanzminister) der US-Regierung unter Trump den skandalösen Vorschlag machte, im Gegenzug für ein Stillhalten Washingtons in der Angelegenheit um die Fertigstellung von Nord Stream 2 zwei neue Flüssiggasterminals mit einer Milliarde Euro öffentlichen Geldern zu subventionieren. Seine Partei ist es auch, die nach wie vor an der Inbetriebnahme der inzwischen fertiggestellten Ostsee-Pipeline festhält.

Eine solch rückwärtsgewandte Politik hilft weder dem Klima noch dem Frieden noch der auf Energiesicherheit angewiesenen Bevölkerung. Wir stehen an der Seite der Zivilbevölkerung aller beteiligten Regionen und Länder, die einen Krieg ablehnt und die am Ende den hohen Preis dafür zahlen würde. Deshalb, und weil es letztlich um die Zukunft Europas geht, bekräftigen wir folgende Forderungen an die Regierungen der EU-Mitgliedstaaten, vor allem aber Deutschlands:

 

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Stoppt das Aufrüsten in Osteuropa

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Eine Bewegung, die sich für transnationale Demokratie einsetzt, kann nur gegen Imperialismus, Krieg und Gewalt sein, die größten Feinde unserer Werte und der Welt, die wir aufbauen wollen.

Die rasche Aufrüstung in der Ukraine und den umliegenden Regionen ist alarmierend. Die Verlegung von westlichen Truppen und Material in eine Region, in der ein acht Jahre alter Konflikt herrscht, sowie die Stationierung Tausender russischer Truppen an der ukrainischen Grenze ermutigen die Kriegstreiber nur. Dies wiederum führt zu einer weiteren Militarisierung auf allen Seiten, von der letztlich der militärisch-industrielle Komplex profitiert.

Die westlichen Staats- und Regierungschefs sind den Vereinigten Staaten und ihrer herrschenden Elite weiterhin treu ergeben. Als Reaktion darauf verfallen undemokratische Regime immer mehr dem Autoritarismus, um sich der Vorherrschaft der USA zu widersetzen, so dass die Welt in einem gefährlichen Theater des Absurden gefangen ist, das jede Seite zur Rechtfertigung ihrer Handlungen benutzt.

Während Europa den Gelüsten der Imperialisten geopfert wird und die NATO seit dem Ende des Kalten Krieges vierzehn weitere Staaten aufnehmen darf, sind die “fortschrittlichen” Stimmen auffallend still. Wir werden auch Zeuge der Dysfunktion internationaler Systeme, die sich mit Fragen des “Friedens und der internationalen Sicherheit” befassen sollen, wobei die Vereinten Nationen anscheinend nicht in der Lage sind, jenseits des Podiums zu handeln.

Als DiEM25 sehen wir uns gezwungen, unsere Stimme zu erheben:

  • Die Lösung aller laufenden politischen Konflikte ausschließlich mit friedlichen und diplomatischen Mitteln.
  • Ein Ende der Provokationen auf beiden Seiten, seien es Truppenaufstellungen, Waffenlieferungen, groß angelegte Militärübungen oder die Fortsetzung der Gespräche über den weiteren Ausbau von Militärbündnissen.
  • Beendigung der weiteren Ausweitung der NATO mit dem Ziel, die NATO durch die Entwicklung eines gemeinsamen Friedenssystems in Europa und dem Rest der Welt überflüssig zu machen.
  • Die Umsetzung des Green New Deal für Europa, der die militarisierte Aufrüstung irrelevant macht.
  • Die Deeskalation der Rhetorik auch in den Mainstream-Medien.

Die fortgesetzte Investition in die Kriegsmaschinerie entfernt uns weiter von der Zusammenarbeit bei den wirklichen Herausforderungen unserer Zeit, wie dem Klimawandel und der globalen Ungleichheit. Es gibt keinen Grund für Gleichgültigkeit oder Resignation: Es gibt einen Weg aus dem Konflikt und hin zu einem Leben in Frieden und Zusammenarbeit.

Diese Erklärung wird von MeRA25 in Deutschland und Griechenland (den politischen Parteien von DiEM25) gemeinsam unterzeichnet. Das vollständige Statement des Vorstands von MERA25 in Deutschland und des deutschen Bundeskollektivs ist hier zu finden.

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Die Pleite des Klima-Kapitalismus verhindern – mit Yanis Varoufakis, Brian Eno, Ece Temelkuan, Roger Waters und mehr!

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Heute Abend, 19:00 mitteleuropäischer Zeit

Die Pleite des Klima-Kapitalismus verhindern, mit Ece Temelkuran, Roger Waters, Brian Eno, Yanis Varoufakis, Frank Barat, Dipti Bhatnagar (Friends of the Earth) und Asad Rehman (War on Want).

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Stellungnahme zum Beschluss des UK High Courts für Julian Assange

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Wir begrüßen die Entscheidung des UK High Courts, Julian Assange zu erlauben, gegen seine Auslieferung in die USA Berufung einzulegen, deren Regierung ihn dafür will, dass er ihre Verbrechen enthüllt, ihre Lügen entlarvt und die Öffentlichkeit informiert hat – in anderen Worten: unschätzbare journalistische Arbeit.

Der heutige Tag markiert einen kleinen – aber entscheidenden – Schritt im Kampf um Julians Leben, seine Berufung wird nun dem UK Supreme Court übermittelt. Nun ist es, mehr denn je, an der Zeit, unsere Stimmen zu erheben, um zu verhindern, was einen unfassbar düsteren Präzedenzfall schaffen würde, für Journalist:innen, Aktivist:innen und alle, die es wagen, Macht herauszufordern. Wir bitten Dich dringend, uns in diesem Kampf zu unterstützen.

Hilf uns, Journalist:innen und Aktivist:innen vor Verfolgung zu schützen. Tritt DiEM25 noch heute bei und spende für unseren Whistleblowers’ Protection & Defence Fund.

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Der Marktfundamentalismus der griechischen Regierung untergräbt Griechenlands Schwung beim Impfen

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Ab heute verlieren ungeimpfte ältere Griech:innen (60+) jeden Monat 100 Euro.

Marktfundamentalismus treibt die Mitsotakis-Regierung dazu, Maßnahmen anzuwenden, welche den eigenen Schwung beim Impfen untergraben.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie das neoliberale Mindset dabei versagt, zu begreifen, dass die Prinzipien von Angebot und Nachfrage nicht wirken, wenn es um (nicht kommodifizierbare) Belange von Körper und Seele geht. Wie ich heute Morgen im BBC World Service erörtert habe.

Zu hören hier:

yanisv · BBC World Service – Market fundamentalism undermines Greece’s vaccination drive
Photo (c) BBC (AFP VIA GETTY IMAGES)

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DiEM25 verstärkt Bemühungen in Deutschland, Italien, den Niederlanden, Dänemark und Schweden

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Wir arbeiten weiterhin hart daran, unseren paneuropäischen Kampf auszuweiten.

Nächsten Monat werden ich und andere Mitglieder des Koordinationskollektivs von DiEM25 Deutschland, Italien, die Niederlande, Dänemark und Schweden besuchen.

Unser Ziel? Wir wollen den DiEM-Mitgliedern helfen, sich vor Ort zu organisieren, unsere Mitgliederzahl in ihren Ländern zu erhöhen und uns international zu koordinieren. Diese Arbeit vor Ort ist entscheidend für DiEM25, um ernsthafte Auswirkungen auf das Leben der Menschen zu haben, die unsere Bewegung am meisten brauchen.

Als internationalistische Bewegung von unten nach oben zählen wir auf die Unterstützung der Graswurzeln, um unser Ziel, Europa zu verändern, zu erreichen.

Also, DiEMer, wenn du zufällig in Nordrhein-Westfalen, Rom, Utrecht, Kopenhagen, Malmö, Lund, Göteborg oder Stockholm lebst und an unseren Organisationstreffen im nächsten Monat teilnehmen möchtest, melde dich bitte via E-Mail bei mir.

Hier sind die Termine und Orte unserer Treffen (Genaue Uhrzeiten und Treffpunkte werden noch bekanntgegeben):

  • Niederlande (Utrecht): 17.-19. Januar
  • Deutschland (Nordrhein Westfalen): Im Februar
  • Italien (Rom): 5.-6. Februar
  • Dänemark (Kopenhagen): 7. Februar
  • Schweden:
    • Malmö/Lund: 8. Februar
    • Göteborg: 9. Februar
    • Stockholm: 10. Februar

Mit deiner Hilfe werden wir in den nächsten Monaten diese und andere Länder besuchen, um zu helfen, die Dynamik zu organisieren und aufzubauen, die nötig ist, um überall in Europa eine größere Wirkung zu erzielen. Kannst du spenden, um die Arbeit von DiEM25 vor Ort zu unterstützen?

Wir bei DiEM25 wissen, dass wir nicht auf Brüssel oder unsere nationalen Regierungen warten können, um die notwendigen Veränderungen herbeizuführen. Wir wissen, dass echte Veränderungen immer an der Basis beginnen, wenn Menschen zusammenstehen, um Ungerechtigkeit zu bekämpfen.

Und wir sind stolz darauf, dass wir zu 100 % durch Mitgliedsbeiträge und Kleinspenden finanziert werden. Deine Beiträge tragen dazu bei, die Arbeit zu finanzieren, die notwendig ist, um unsere progressiven Vorsätze und Ziele zu erreichen. Wenn du es dir leisten kannst, dann spende bitte noch heute!

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Yanis Varoufakis: Warum Kroatien den Euro nicht einführen sollte, deutsche Politik und vieles mehr

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Exklusivinterview mit Yanis Varoufakis, geführt von Nataša Vlašić Smrekar für die kroatische Zeitschrift Vecernji List. Hier lesen:

F: Kürzlich haben Sie vor der DiEM25 Gruppe in Rijeka ausgeführt, dass die Eurozone der kroatischen Wirtschaft und den kroatischen Bürger:innen nicht gut tun würde, genau wie Griechenland, Portugal und Spanien… Aber bisher haben die kroatischen Politiker:innen die nationale Währung, die Kuna, nicht geldpolitisch eingesetzt. Es scheint also eigentlich keinen großen Unterschied zu machen, ob wir den Euro oder die Kuna haben?

YV: In finanziell relativ ruhigen Zeiten (wie aktuell oder in der Zeit von 2001 bis 2007) erscheinen die Kosten für die Beibehaltung der Kuna (z.B. die höheren Zinssätze, die man für Kredite zahlen muss, oder die Gebühren für die Umrechnung von Kuna in Euro) unnötig und können einen leicht ins grübeln bringen, wozu man die Kuna behalten soll. Vor diesem Hintergrund kann ich die vielen Menschen verstehen, die sagen: “Lasst uns den Euro einführen, damit wir keine Gebühren und höheren Zinsen zahlen müssen wir denken sowieso alle in Euro.” Aber das wäre ein großer Fehler: Eine eigene Währung zu haben ist ein bisschen wie eine Autoversicherung man lernt sie erst zu schätzen, wenn man einen Unfall hat! Sie ist sogar noch wertvoller als das. Der Verzicht auf die Kuna wäre nicht nur gleichbedeutend mit dem Verzicht auf eine Autoversicherung, sondern würde zudem die Wahrscheinlichkeit eines Verkehrsunfalls erhöhen!

Warum sage ich, dass die Einführung des Euro die Wahrscheinlichkeit einer Finanzkrise in Kroatien erhöhen würde? Aus diesem einfachen Grund: Wenn die Löhne in Kuna bezahlt werden, zögern die deutschen Banken, den kroatischen Arbeiter:innen und der kroatischen Mittelschicht Kredite zu gewähren, weil sie befürchten, dass der Kuna-Euro-Kurs fallen könnte, was es den kroatischen Kreditnehmer:innen erschweren würde, ihre Euro-Kredite zurückzuzahlen. Sobald Kroatien jedoch offiziell den Euro einführt, werden die deutschen Banken weniger zögerlich sein, wenn es darum geht, kroatischen Banken Kredite für Kroat:innen zu gewähren, insbesondere an diejenigen, die Immobilien besitzen, die sie als Sicherheiten verwenden können. Schnell werden dann mehr und mehr Kredite von Frankfurt über kroatische Banken nach Zagreb fließen. Das Ergebnis wird ein enormer Anstieg der privaten Schulden sein, die letztlich den deutschen Banken geschuldet werden, während die Immobilienpreise steigen (da mehr Käufer:innen sich mehr Geld geliehen haben werden, um sie zu kaufen). All das wird zu einem falschen Wachstumsschub beitragen, da die Menschen, die glauben, dass ihr Vermögen und ihre Unternehmen im Wert gestiegen sind, sich noch mehr Geld leihen (z. B. über Kreditkarten), um mehr Volkswagen, Peugeot und andere Importe zu kaufen. So wird eine Blase entstehen, bevor sie “platzt” und eine Pleitewelle hinterlässt.

Sie können sich den Rest vorstellen: Nachdem sie durch die Einführung des Euro aufgeblasen wurde, wird die unvermeidliche private Schuldenblase platzen. Da diese Schulden nun auf eine Währung laufen, die die kroatische Zentralbank nicht drucken kann (Euro!), werden die kroatischen Banken pleite gehen und damit auch der kroatische Staat, der seine Einlagengarantie für die kroatischen Sparer:innen nicht mehr erfüllen kann. In diesem traurigen Moment ergeben sich zwei Möglichkeiten: Die eine ist, dass die kroatischen Banken pleite gehen und der kroatische Staat, um sie zu retten, die Kuna wieder einführt, d.h. aus der Eurozone austritt. Eine andere Möglichkeit ist, dass die Europäische Zentralbank einspringt, um sowohl die kroatischen Banken als auch den kroatischen Staat mit einem riesigen Rettungsdarlehen nach griechischem Vorbild zu retten, das natürlich nur unter Bedingungen extremer Sparmaßnahmen für die große Mehrheit der Kroat:innen gewährt wird. In beiden Fällen sieht die Mehrheit der Kroaten einer Katastrophe ins Auge.

Kurzum, mein Rat an die vielen kroatischen Freund:innen lautet: Tut es nicht! Bleibt der Eurozone fern! Man kann durch die Mitgliedschaft in der Eurozone viel verlieren und nur sehr wenig gewinnen, wie die Fälle Polens, Ungarns und Tschechiens zeigen (die ehemals kommunistischen EU-Länder, die, indem sie dem Euro nicht eingeführt haben, besser abgeschnitten haben als die Volkswirtschaften am Rand der Eurozone, z. B. Griechenland, Portugal, Spanien, Zypern usw.).

F: Eine Änderung der wirtschaftlichen und demokratischen Struktur der Eurozone ist von Deutschland kaum zu erwarten. Haben Sie einen Vorschlag, wie die Entscheidungsfindung in der Wirtschaftspolitik in Europa demokratisiert werden kann und wie Länder wie Griechenland, Portugal, Spanien und Kroatien, aber auch Frankreich und Italien in diesen Prozess einbezogen werden können?

YV: Die einfache Antwort ist, dass die einzige Möglichkeit, die Eurozone wirklich zu demokratisieren, darin besteht, sie in eine demokratische Föderation zu verwandeln, mit einer föderalen Regierung und einem föderalen Finanzministerium, das einen großen Teil der öffentlichen und privaten Schulden vereinheitlicht.

Margaret Thatcher hatte sich gegen den Euro ausgesprochen, weil sie befürchtete, dass er ein Schritt in Richtung “Föderation durch die Hintertür” sei. Wenn sie doch nur recht hätte! Denn es war nicht der Versuch, eine Föderation einzuführen. Es war viel schlimmer als das: Eine Währungsunion, der die Menschen in einen eisernen Käfig der Austerität sperrte und ihnen die Möglichkeit nahm, den Käfig durch eine demokratische Abstimmung wieder abzuschaffen. Warum haben die politischen Architekt:innen des Euro das getan?

Aus zwei Gründen: Aus der Perspektive von Überschussländern wie Deutschland und den Niederlanden war es sinnvoll, weil sie bei einer Finanzkrise in der Eurozone das Sagen haben würden da die Regierungen der Defizitländer (einschließlich Italien und Frankreich) bankrott wären und ihre Regierungen zu viel Angst haben würden, sich in den Sitzungen des EU-Rates und der Eurozone Gehör zu verschaffen. Der zweite Grund ist, dass die Oligarchie in jedem Land (sowohl in den Überschuss- als auch in den Defizitländern) die Möglichkeit liebte, es einer gewählten Regierung nicht nur schwer, sondern unmöglich zu machen, signifikante Einkommens- oder Vermögensverschiebungen von den Wenigen mit viel Besitz zu den Vielen mit wenig Besitz vorzunehmen. [Das hatte zur Folge, dass den Staaten die Instrumente einer Zentralbank vorenthalten wurden, während gleichzeitig sichergestellt wurde, dass die Regierungen unter ihren Ausgabe-Grenzen blieben.]

Das Problem mit der obigen Analyse ist, dass die Menschen resignieren, wenn sie sie hören. Niemand glaubt, dass es unter den gegebenen Umständen möglich ist, eine demokratische Föderation zu verwirklichen einer Föderation, in der die Mehrheit der Menschen in den ärmeren, defizitären Mitgliedsstaaten leben wird solange das Prinzip “eine Person – eine Stimme” gilt. Aus dieser Erkenntnis erwächst ein Gefühl der Hilflosigkeit. Nichts stärkt Faschist:innen, Fremdenfeind:innen und Rechtsextremist:innen mehr als das Gefühl nationaler Demütigung und der persönlichen Hilflosigkeit. Um diesem Gefühl entgegenzuwirken, hat DiEM25 bei den letzten Wahlen zum Europäischen Parlament als Teil unseres Green New Deal für Europa einen zweistufigen Prozess zur effektiven Demokratisierung der Europäischen Union vorgeschlagen:

Schritt 1: Die Simulation einer Wirtschaftsföderation, die auf zwei Hauptschritten basiert. Der erste Schritt wäre, dass die Europäische Investitionsbank (EIB) riesige Mengen an grünen Investitionen in ganz Europa tätigt und insbesondere in den Aufbau einer Grünen Energieunion steckt. Dieser Schritt würde ein föderales Investitionsprogramm simulieren, indem die Nationalstaaten umgangen und die Grüne Energieunion ohne neue Steuern und zentral finanziert würde. Wie? Die EIB gibt jedes Jahr Anleihen im Wert von einer halben Billion Euro aus, und die EZB verspricht, sie bei Bedarf zu kaufen (was sie nicht tun müsste, da die bloße Zusage, sie zu kaufen, ausreichen würde, um eine enorme Nachfrage nach diesen Anleihen zu erzeugen). Der zweite Schritt wäre die “Europäisierung” der öffentlichen Schulden in Höhe von 60 % des Nationaleinkommens eines jeden Landes. Wie? Indem die EZB eigene Anleihen in dieser Höhe ausgibt und sie gegen die nationalen Anleihen eintauscht eine Simulation einer föderalen europäischen Staatsverschuldung, die in ihrer Struktur den Bundesschulden in den USA ähnelt.

Schritt 2: Sobald große Teile der europäischen Investitionen und der Staatsverschuldung durch die in Schritt 1 vorgeschlagenen Simulationen quasi föderalisiert sind, würde die ökonomische Stagnation, mit der Europa seit 2008 konfrontiert ist, ein Ende haben und die Europäer:innen würden die EU als eine Kraft des Guten in ihrem täglichen Leben erkennen. An diesem Punkt, so hoffen wir von DiEM25, wäre es möglich, die Diskussion darüber zu beginnen, wie eine richtige, vollwertige, demokratische Föderation aufgebaut werden kann.

F: Was sagt uns das relativ schlechte Abschneiden der Grünen bei den Wahlen in Deutschland? Es sah lange so aus, als ob sie die alte Sozialdemokratische Partei (SPD), die die Arbeiterklasse verraten hat, überholen würde, aber das ist nicht geschehen. Können Sie sich dazu äußern?

YV: Es gab zweifellos eine gewisse Inkompetenz seitens der Führung der Grünen während des Wahlkampfes. Die wichtigste Lektion ist aber, dass es nicht funktioniert, eine ehemals radikale Bewegung zu entradikalisieren. Die deutschen Grünen haben jahrelang versucht, dem deutschen Establishment zu zeigen, dass sie verlässlich sind, dass das Establishment ihnen vertrauen kann, dass die Oligarchie sie nicht fürchten muss und dass sie bereit sind, mit den Christdemokraten zu regieren, wenn es sein muss. Das Ergebnis ist, dass sie eine konservative Wirtschaftsagenda verabschiedet haben, die die wichtigsten Grundsätze des New Deal verwirft, aber den Namen Green New Deal beibehält. Am Ende sind sie zu Ordoliberalen geworden, die mehr Geld für das Recycling und einige Wachstumsbeschränkungen wollten. Die konservativen Wähler:innen waren davon nicht angetan (“Warum nicht die echten Konservativen wählen?”, dachten sie), während viele radikalere Wähler:innen abgeschreckt wurden.

F: Hat die Wahl einen Wandel in der deutschen Politik bewirkt?

YV: Ja, diese Wahl hat jede Hoffnung auf eine progressive Wende in der deutschen Politik nach dem Abgang von Angela Merkel zunichte gemacht. Einerseits garantiert die vollständige Kontrolle der SPD durch Olaf Scholz, den nächsten Bundeskanzler, der die deutsche Sozialdemokratie weiterhin voll und ganz der strengen Sparpolitik für die deutsche Arbeiterklasse und einer traurigen Wiederholung von Merkels Variante der Christdemokratie verpflichten wird. Auf der anderen Seite garantiert der Eintritt der FDP in die Regierung, dass die FDP, selbst wenn Herr Scholz eine Erleuchtung haben sollte, jede fortschrittliche Änderung der Berliner Haltung in der Innen- und Europapolitik verhindern wird. Deshalb macht DiEM25 den riskanten, aber wichtigen Schritt, am 13. November eine neue progressive Partei (MERA25) in Berlin zu gründen. Zweifelsohne wird unsere Partei klein sein und einen schweren Stand haben. Aber angesichts der Schmach der Partei Die Linke und des Rechtsrucks der Grünen haben wir beschlossen, dass DiEM25 eine Stimme in der deutschen Politik haben muss, die es uns ermöglicht, den deutschen Progressiven unsere Geschichte zu erzählen und sie einzuladen, uns die Hand zu reichen, denn, lassen Sie uns das klar sagen, nichts Gutes kann in Europa geschehen, wenn es nicht ein festes Fundament in Europas Kraftzentrum hat und das ist Deutschland.

F: Können Sie die Rolle Deutschlands und insbesondere Angela Merkels auf dem westlichen Balkan, ja in Südosteuropa, beurteilen?

YV: Nach der Kapitalismus in 2008 eine Nahtoderfahrung hatte und die deutschen Banken pleite gingen, hat Merkels Regierung einen schmutzigen Plan ausgeheckt: Die Rettung der Frankfurter Banken, indem die Verluste der Banken zynischerweise auf die Schultern der schwächsten Bürger:innen Europas übertragen wurden. Die deutschen Arbeiter:innen hatten bereits unter sozialdemokratischen und christdemokratischen Bundeskanzler:innen und Finanzminister:innen enorme Sparmaßnahmen ertragen müssen. Nach 2009 waren die arbeitenden und mittleren Klassen Südeuropas an der Reihe, die Folgen zu tragen. Die Länder des ehemaligen Jugoslawiens sowie Bulgarien litten unter den indirekten Folgen von Frau Merkels Politik, die ich einfach als “großzügiger Sozialismus für die Banker:innen und harte Sparmaßnahmen für alle anderen” bezeichne. Die einzigen Länder, die nicht völlig zusammenbrachen, waren diejenigen, deren Industrie in die deutsche Industrie integriert war (Polen, Ungarn und Tschechien), die hauptsächlich für den chinesischen Markt produziert. Und dann kam 2015 der Zustrom von Geflüchteten, bei dem Berlin nach dem Ende von Frau Merkels zweiwöchigem Experiment mit Humanismus (das heißt, nachdem ihre eigene Partei sie gezwungen hatte, die Politik der offenen Türen für Syrer:innen aufzugeben) Allianzen mit den fremdenfeindlichsten Politiker:innen des westlichen Balkans schmiedete, zusammen mit meinen ehemaligen Genoss:innen in der SYRIZA-Regierung in Griechenland. Das alles um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit und gegen die Idee eines grenzenlosen Europas zu begehen, das in der maroden Migrationspolitik besteht, bei der unschuldige Menschen in der Türkei eingesperrt werden, in der Ägäis umkommen und generell einer großen Misshandlung ausgesetzt werden, damit sie eine Botschaft an ihre Herkunftsländer senden können: “Bleibt weg von Europa es ist ein grausamer Kontinent”. Das Problem mit dieser Allianz zwischen Frau Merkel und den ultrarechten Kräften auf dem westlichen Balkan und darüber hinaus ist, dass sie nicht nur an sich abscheulich ist, sondern auch die Politik vergiftet und die Menschenfeindlichkeit in ganz Europa insbesondere an den östlichen und südöstlichen Flanken verstärkt.

F: Wie beurteilen Sie die Position der Linken in Europa und in der Welt im Allgemeinen? Hat sich das linke politische Denken vom Fall des Kommunismus erholt? Wo steht die Progressive Internationale in all dem?

YV: Gerade weil sich die Linke nie von ihrer Niederlage von 1991 erholt hat und es nicht geschafft hat, eine transnationale progressive Politik umzusetzen, haben sich einige von uns zur Progressiven Internationale zusammengeschlossen. Was Europa betrifft, so ist die Situation hier schlimmer als überall auf der Welt. In Europa ist die totale Niederlage der Linken meiner Einschätzung nach auf die Entscheidung der Partei der Europäischen Linken zurückzuführen, den Vorschlag von DiEM25 abzulehnen, den Europäer:innen bei den Wahlen zum Europäischen Parlament 2019 eine einheitliche, kohärente, wirtschaftliche und politische Agenda zu präsentieren. Warum haben sie den Vorschlag abgelehnt? Weil sie der “Einheit” den Vorzug gaben, d. h. diejenigen, die vor dem EU-Establishment kapitulierten (z. B. SYRIZA in Griechenland), diejenigen, die einen Austritt aus der EU anstrebten (z. B. Melenchon in Frankreich, Lafontaine in Deutschland) und diejenigen, die keine wirkliche Meinung zur EU hatten (z. B. Podemos in Spanien), unter einen Hut zu bringen. Nur dass diese “Einheit” nutzlos war, da sie auf einer inkohärenten Botschaft an die Menschen Europas beruht. (Wie sollte es auch anders sein, wenn Parteien mit so unterschiedlicher Gesinnung und Ausrichtung zusammenarbeiten?) Meine Hoffnung für die Progressive Internationale in Europa und anderswo ist, dass sie die Fehler der Partei der Europäischen Linken nicht wiederholt und stattdessen dem Beispiel von DiEM25 folgt. Wenn sie eine lose Konföderation nationalstaatlich orientierter Parteien bleibt, ist auch sie dem Untergang geweiht. DiEM25 und ich persönlich werden unser Möglichstes tun, um dies zu verhindern.

F: Sie glauben, dass die Ordnung, in der wir leben, nicht mehr der Kapitalismus sondern ein Tech-Feudalismus ist. Die freien Wettbewerbsmärkte wurden tatsächlich verdrängt? Was geschieht hier?

YV: Im Mittelpunkt der These, dass sich der Tech-Feudalismus vom Kapitalismus unterscheidet, steht die Beobachtung, dass nach 2008, dem Aufstieg digitaler Plattformen und in jüngster Zeit der Pandemie die beiden Haupttriebkräfte des Kapitalismus nicht mehr im Mittelpunkt des Wirtschaftssystems stehen: Profite und Märkte. Natürlich treibt das Gewinnstreben die meisten Menschen weiterhin an. Und Märkte gibt es überall. Das breite System, in dem wir leben, wird jedoch nicht mehr durch private Gewinne angetrieben. Heutzutage ist der Markt auch nicht mehr der wichtigste Mechanismus für die Gewinnungmaximierung oder die Schaffung von Wohlstand.

Was ist an die Stelle von Gewinnen und Märkten getreten? Die kurze Antwort lautet: Zentralbankgeld hat die kapitalistischen Gewinne als Treibstoff des Systems ersetzt, und die digitalen Plattformen von Big Tech haben die Märkte als Mechanismus für die Wertschöpfung ersetzt.

Zentralbankgeld hat die Profite als Motor des Systems ersetzt: Der Profit treibt das System nicht mehr an, auch wenn er für die einzelnen Unternehmer:innen nach wie vor das A und O ist. Unbestreitbare Beweise dafür, dass Zentralbankgeld und nicht Gewinne das Wirtschaftssystem antreiben, sind überall zu finden. Ein gutes Beispiel dafür sind die Ereignisse in London am 12. August 2020. Es war der Tag, an dem die Märkte erfuhren, dass die britische Wirtschaft katastrophal eingebrochen war und zwar weit mehr, als es Analysten erwartet hatten (mehr als 20 % des Landeseinkommen waren in den ersten sieben Monaten des Jahres 2020 verloren gegangen). Als die Finanzleute die düsteren Nachrichten hörten, dachten sie: “Großartig! Die Bank von England wird in ihrer Panik noch mehr Geld drucken und an uns weiterleiten, um Aktien zu kaufen. Zeit, Aktien zu kaufen!”

Dies ist nur eine von unzähligen Erscheinungsformen einer neuen globalen Realität: In den Vereinigten Staaten und überall im Westen drucken die Zentralbanken Geld, das die Finanziers den Unternehmen leihen, die damit ihre Aktien zurückkaufen deren Kurse sind damit von den Gewinnen abgekoppelt. Die neuen Barone erweitern so mit Hilfe von Staatsgeldern ihre Lehen, auch wenn sie keinen einzigen Cent Gewinn machen! Außerdem diktieren sie dem vermeintlichen Souverän den Zentralbanken, die sie “liquide” halten die Bedingungen. Die Fed zum Beispiel rühmt sich zwar ihrer Macht und Unabhängigkeit, ist aber heute völlig machtlos, das zu stoppen, was sie 2008 begonnen hat: das Gelddrucken im Auftrag von Bankern und Konzernen. Selbst wenn die Fed den Verdacht hat, dass sie, indem sie die Unternehmensbarone liquide hält, die Inflation anheizt, weiß sie, dass ein Ende des Gelddruckens das Haus zum Einsturz bringen würde. Die Angst, eine Schulden- und Konkurslawine auszulösen, macht die Fed zu einer Geisel ihrer eigenen Entscheidung, Geld zu drucken, und sorgt dafür, dass sie weiter Geld drucken wird, um die Barone liquide zu halten. Das hat es noch nie gegeben. Mächtige Zentralbanken, die heute das System im Alleingang am Laufen halten, haben noch nie so wenig Macht gehabt. Nur im Feudalismus fühlte sich der Souverän seinen Baronen ähnlich unterwürfig, während er gleichzeitig dafür verantwortlich war, das ganze Gebäude zusammenzuhalten.

Digitale Plattformen treten an die Stelle der Märkte: Im 20. Jahrhundert und bis heute erhielten die Arbeitnehmer:innen in großen kapitalistischen Oligopol-Unternehmen (wie General Electric, Exxon-Mobil oder General Motors) etwa 80 % des Unternehmenseinkommens. Die Beschäftigten von Big Tech erhalten nicht einmal 1 % der Einnahmen ihres Arbeitgebers. Das liegt daran, dass bezahlte Arbeitskräfte nur einen Bruchteil der Arbeit verrichten, von der Big Tech profitiert. Wer verrichtet den größten Teil der Arbeit? Wir alle! Zum ersten Mal in der Geschichte produziert fast jede:r kostenlos (oft mit Begeisterung) das Kapital von Big Tech (das bedeutet, dass man Dinge auf Facebook hochlädt oder sich bewegt, während man mit Google Maps verbunden ist). Das hat es im Kapitalismus noch nie gegeben. Der Schlüssel zum Verständnis unseres neuen Systems ist die Erkenntnis, dass digitale Plattformen keine neue Form des Marktes sind. Wenn man Facebook als Nutzer:in oder Google als Angestellte:r betritt, verlässt man den Markt und betritt ein neumodisches technisches Lehen.

Was bedeutet diese Umwandlung des Kapitalismus in einen Tech-Feudalismus für uns alle? Beispiele für die Auswirkungen des Tech-Feudalismus sind:

  • Die Auswirkungen auf die sozialen Klassen und die gegenderte Arbeitsteilung durch den schnellen Rückzug der Lohnarbeit und ihre Ersetzung durch unbezahlte Arbeit in einer Gesellschaft, in der die Unterscheidung zwischen Arbeit und Freizeit verschwindet
  • Die Auswirkungen auf ein politisches System, das aus zwei Parteien besteht, von denen die eine tendenziell die Lohnarbeit (die schrumpft) und die andere das Kapital (das zunehmend von unserer unbezahlten Arbeit profitiert) vertritt
  • Die Unmöglichkeit, die Macht digitaler Lehen/Plattformen zu regulieren, wenn sie sich zu (um Zuckerberg zu zitieren) “Metaverse Unternehmen” entwickeln
  • Der Verlust jeglicher demokratischer Autorität über staatliches Geld, das die Ungleichheit anheizt, die Tür für oligarchische Kryptowährungen öffnet und die Fähigkeit der Menschheit, unserem gemeinsamen Interesse zu dienen, zunehmend einschränkt einschließlich unserer Fähigkeit, den katastrophalen Klimawandel aufzuhalten
  • Was es für die gesamte Menschheit, einschließlich der oberen 0,01 %, bedeutet, stetig proletarisiert zu werden in einer Weise, die Die Matrix von einem Science-Fiction-Film zu einem Dokumentarfilm macht.

F: Was ist die Alternative zum Tech-Feudalismus und wie kann sie erreicht werden?

YV: Zu dieser großen Frage möchte ich Sie auf mein letztes Buch verweisen einen politischen Science-Fiction-Roman mit dem Titel EIN ANDERES JETZT. Darin dienen die Handlung und ihre Figuren dazu, zwei Dinge zu beschreiben. Erstens: Wie würden die Dinge (Unternehmen, Wohnungen, Geld, Handel, Demokratie am Arbeitsplatz, in der Region und im Land usw.) in einer freien, demokratischen Marktgesellschaft funktionieren, in der alles Eigentum in kollektivem Besitz ist, es keine Börsen und keine Geschäftsbanken gibt. Zweitens: Welche Art von Revolution könnte eine solche sozioökonomische Ordnung herbeiführen? Um diese beiden Fragen zu beantworten, stellt sich EIN ANDERES JETZT eine globale Bewegung nach dem Crash von 2008 vor, die auf ganz andere Weise rebelliert als die OCCUPY WALL STREET-Bewegung. Da ich nicht noch mehr spoilern möchte, hoffe ich, dass Sie mir erlauben, jetzt noch nicht mehr zu sagen.

F: Was halten Sie von dem Vorschlag, eine 15-prozentige Steuer auf multinationale Unternehmen einzuführen? Reicht das aus, um in der Welt etwas zu verändern? Kann das Problem der enormen Ungleichheiten in der Welt durch die Einführung einer höheren globalen Unternehmenssteuer zumindest verringert werden?

YV: Das ist eine Spielerei, die gar nichts dazu beitragen wird, ein Mindestmaß an Steuergerechtigkeit in der Welt herzustellen. Lassen Sie mich das ganz klar sagen: Letztes Jahr hat Amazon in Europa 44 Milliarden Euro verdient und dafür keine Körperschaftssteuer gezahlt. Raten Sie mal, wie viel Amazon im Rahmen der neuen so genannten 15 prozentigen globalen Körperschaftssteuer zahlen wird: Wieder null! Wie kommt das? Weil das globale Abkommen, das im Rahmen der OECD ausgehandelt wurde, eine Steuer von 15 % auf nur 20 % der weltweiten Gewinne eines multinationalen Unternehmens vorsieht, die – und jetzt kommt der “lustige” Teil – mit einer Marge von über 8 % über den Kosten anfallen. Da Amazons Buchhalter:innen jedoch gut darin sind, die Kosten groß zurechnen, lagen diese Margen im letzten Jahr unter 8 %. Somit wird Amazon weiterhin keine Steuern zahlen!

F: Können wir über die sehr tiefen Klassenunterschiede in einigen der reichsten Gesellschaften wie den USA, aber auch in China sprechen?

YV: Das Wichtigste, woran man sich hier erinnern sollte, ist, dass das, was die Mainstream-Presse als Handelskrieg zwischen den Vereinigten Staaten und China bezeichnet, in Wirklichkeit ein Klassenkampf innerhalb der Vereinigten Staaten und Chinas ist. In den Vereinigten Staaten haben die multinationalen Unternehmen seit Jahren Arbeitsplätze nach China exportiert, um sowohl chinesische als auch amerikanische Arbeiter:innen unter Druck zu setzen. In China wiederum beruht das Wachstumsmodell auf enormen Investitionen (bis zu 50 % des Landeseinkommens), was bedeutet, dass die Löhne ins Unermessliche gedrückt werden. Während die amerikanischen und chinesischen Kapitalist:innen ihre Gewinne in die Höhe schrauben und ihre Regierungen sich streiten, sind es die amerikanischen und chinesischen Arbeiter:innen, die Opfer eines schrecklichen Arbeitslebens und schwindender Lebensperspektiven werden.

F: Die Lebensmittel- und Energiepreise steigen dramatisch, die Inflation und die Zinssätze werden voraussichtlich steigen. Was geschieht auf den europäischen und weltweiten Märkten und warum?

YV: Nach Jahrzehnten der Globalisierung, die zu einer unglaublichen Ausdehnung der Versorgungsketten geführt hat, verursachte die Covid-19-Pandemie einen starken Anstieg der Transportkosten, einschließlich des Transports von Öl und Flüssiggas. In Verbindung mit einigen anderen zufälligen Faktoren (z. B. ein sehr schwaches Windjahr in Nordeuropa) und geopolitischen Unwägbarkeiten (z. B. die vorübergehende Einschränkung der Gaslieferungen von Russland in die EU, um Nordstream 2 durchzusetzen) löste dieser Preisanstieg Spekulationen aus: Die üblichen Verdächtigen nutzten die riesigen Geldmengen, die von den Zentralbanken gedruckt werden, und kauften künftige Energielieferungen und künftige Transportkapazitäten. Das Ergebnis? Ein vorübergehender Preisanstieg wird nun durch Spekulationen verstärkt.

F: Ist die europäische Klimapolitik für den Anstieg der Energiepreise mitverantwortlich?

YV: Nein, noch nicht. Aber sie könnte durchaus eine Rolle spielen. Vor allem, wenn wir nicht schnell eine CO2-Steuer einführen, die vollständig an die ärmeren Europäer:innen umverteilt wird.

F: Das Klima verändert sich, die Natur und die Wirtschaft brechen zusammen, die Kriege hören nicht auf… die Menschen haben eine Vorahnung der Katastrophe. All diese Probleme könnten jedoch gelöst werden, wenn ein weltweiter politischer und wirtschaftlicher Konsens über die Zusammenarbeit auf der Grundlage von Vernunft, Gerechtigkeit und Fortschritt erreicht werden könnte. Glauben Sie, dass die Menschheit zu einem solchen Wandel fähig ist?

YV: Das ist das große Paradox unserer Spezies. Der Kapitalismus hat Produktivkräfte freigesetzt, von denen die Menschheit nicht einmal wusste, dass sie sie hat. Aber gleichzeitig schuf der Kapitalismus neue Formen von unglaublicher Verdorbenheit, unter denen die Menschheit nie zuvor gelitten hat, nicht einmal im Mittelalter. Ich erwähne dies, weil wir mit der historischen Diskrepanz zwischen den wunderbaren Fähigkeiten der Menschheit und den miserablen Ergebnissen bestens vertraut sind. Also ja, ich glaube, dass wir die Möglichkeit haben, gemeinsamen Wohlstand zu erreichen, dass wir die technologischen Fähigkeiten haben, den Planeten vor der Klimakatastrophe zu bewahren, und dass wir uns der Herausforderung stellen können, Vernunft und Ethik zu verbinden. Aber das ist keine Garantie, nicht einmal ein Hinweis, dass uns das auch gelingen wird.

Letztlich läuft das Ganze auf die notwendigen und ausreichenden Bedingungen für einen fortschrittlichen Wandel hinaus. Die erste notwendige Bedingung ist, dass wir den Kapitalismus beenden. Tragischerweise reicht das überhaupt nicht aus, da das Ende des Kapitalismus, wie ich oben argumentiert habe, bereits im Gange ist, weil der Kapitalismus etwas Schlimmeres als den Kapitalismus hervorbringt: Tech-Feudalismus. Unsere Aufgabe ist es also, um die wichtigste notwendige Bedingung zu schaffen, gleichzeitig gegen den Kapitalismus und gegen das neue System zu kämpfen, in das sich der Kapitalismus unter der Führung von Big Finance, Big Tech, Big Pharma und, wie immer, dem militärisch-industriellen Komplex verwandelt.

Aber selbst das ist nicht genug: Um die Technologie mit der Menschlichkeit und die Vernunft mit der Ethik in Einklang zu bringen, müssen wir die Arbeitsplätze demokratisieren, Arbeit an sich abschaffen, indem wir sie durch Automation ersetzen, die es uns ermöglicht, unsere Talenten zu hervorzubringen, uns stetig zu verbessern, unser Glück zu finden, ohne den Planeten zu zerstören, kreative Arbeit zu leisten wie Künstler:innen, Musiker:innen und Mathematiker:innen, für die die Arbeit untrennbar mit dem guten Leben verbunden ist.

F: Was kann die Progressive Internationale in dieser Hinsicht tun?

YV: Sie kann dabei helfen, nationalstaatliche politische Parteien zu überwinden, vollständig transnationale Bewegungen und parteipolitische Möglichkeiten zu entwickeln, eine planetarische Agenda zu schmieden und uns alle im Kampf gegen die Kräfte der Reaktion und der Oligarchie in jedem Winkel dieser unserer Erde zu vereinen.

Dieses Interview wurde ursprünglich auf Kroatisch bei Vecernji List veröffentlicht.

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Die Gewährung von Julian Assanges Auslieferung markiert einen dunklen Tag für die Pressefreiheit

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Mit seiner Entscheidung, Julian Assange an die Vereinigten Staaten auszuliefern, hat das Berufungsgericht in Großbritannien eine wertvolle Gelegenheit vertan, das zu retten, was von der Ehre der britischen Justiz übrig geblieben ist, nachdem sie sich so viele Jahre lang an der langsamen Ermordung eines Mannes beteiligt hat, dessen einziges Verbrechen darin bestand, die Verbrechen unserer Regierungen gegen die Menschlichkeit aufzudecken – und das ausgerechnet am Tag der Menschenrechte.

Von heute an kann kein frei denkender Mensch, kein gewissenhafter Journalist mehr ruhig schlafen, geschweige denn arbeiten.

Von heute an hat der schattenhafte Sicherheitsapparat der Vereinigten Staaten von der britischen Justiz das Recht erhalten, jeden aus jedem Teil der Welt zu entführen, der es wagt, die hässlichsten Taten – ja, Verbrechen gegen die Menschlichkeit – aufzudecken.

DiEM25 und die Progressive Internationale erklären, dass wir dieses Urteil nicht einfach so hinnehmen werden. Um ihn endlich zu befreien, werden wir die Kampagne zur Rettung von Julian Assange auf amerikanischem Boden fortsetzen und gleichzeitig parallele Kampagnen auf der ganzen Welt durchführen.

Der Kampf für freie Meinungsäußerung und Journalismus geht weiter.

Der Kampf zur Rettung von Julian geht weiter.


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